Bergedorf. Sich als Schiedsrichter zu behaupten, bildet den Charakter. Doch immer weniger trauen sich das zu. Die Gewalt auf den Plätzen schreckt sie ab.

Den Fußballklubs im Bergedorfer Raum fehlen die Schiedsrichter. Der Großteil der Vereine muss Strafe an den Hamburger Fußball-Verband zahlen, weil weniger Schiedsrichter als Mannschaften gemeldet wurden. Besonders eklatant sind die Probleme beim FC Bergedorf (11 fehlende Referees), TSV Glinde (9), ETSV Hamburg (8), SV Curslack-Neuengamme (7) und TuS Aumühle-Wohltorf (7).

Schiri vor 8000 Zuschauern – ein Erlebnis!

Am mangelnden Engagement der Verantwortlichen liegt das nicht. Beim TuS Aumühle-Wohltorf zum Beispiel ist Benjamin Bortz Schiedsrichter-Obmann. Seit 22 Jahren ist er als Referee aktiv. „Das ist meine ganz große Leidenschaft“, betont er, „doch es hat früher sehr viel mehr Spaß gemacht als heute.“ So hat er einmal eine Oddset-Pokalpartie des FC St. Pauli vor 8000 Zuschauern gepfiffen. „Das war ein Erlebnis“, schwärmt er. Heute hingegen sei der Alltag oft eher trist. „Da pfeifst du dann an einem Sonntagmorgen für 15 Euro Spesen ein Spiel in einem Käfig in Harburg oder Wilhelmsburg und kriegst dort noch nicht einmal ein warmes Getränk“, beklagt er sich über die mangelnde Wertschätzung. Gerade im abgelegenen Aumühle sei es daher schwer, neue Schiedsrichter zu gewinnen. „Die Leute haben einfach keine Lust, nach Hamburg zu fahren.“

Die Anfängerkurse sind voll, aber viele hören auf

Hinzu kommt das Gewaltproblem auf den Fußballplätzen, das immer schlimmer geworden sei. „Der Verband müsste Spieler, die Schiedsrichter angreifen, viel rigoroser bestrafen und lebenslang sperren“, fordert Bortz, „auch müsste der Verband enger mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Das grenzt doch oft an gefährliche Körperverletzung.“ Vor zwei Wochen streikten aus Protest gegen die Gewalt in Berlin die Schiedsrichter, fast 1500 Spiele fielen aus. „In Hamburg ist das nicht angedacht“, betont Carsten Byernetzki, der Sprecher des Hamburger Fußball-Verbandes, „aber ich kann die Motive der Schiris verstehen.“ Trotz der Probleme sei es gar nicht so schwer, Nachwuchs für das Schiedsrichterwesen zu begeistern. „Unsere Anwärterkurse sind voll“, betont Byernetzki, selbst seit 44 Jahren Unparteiischer. „Das Problem ist eher, die jungen Schiedsrichter zu halten.“ Acht Spiele pro Jahr muss ein Referee mindestens pfeifen, sonst wird sein Schiedsrichter-Pass nicht verlängert.

20 Fußballer, kein Schiedsrichter

Ein weiteres Problem ist die Bequemlichkeit der Fußballer. Zum Beispiel beim SV Curslack-Neuengamme, wie der Vereinsvorsitzende Hartmut Helmke erläutert: „Unsere 3. Herren hat über 20 Spieler, doch nicht einer davon ist bereit, Schiedsrichter zu werden. Also legen wir die 100 Euro Verbandsstrafe pro Jahr auf die Mannschaft um.“

Im Gegenzug zahlt der Verein neuen Referees die ganze Erstausstattung inklusive der Schiedsrichteruhr. Das hat dazu beigetragen, die Lage zumindest ein bisschen zu entspannen. „Als ich vor fünf Jahren hier anfing, gab es keinen einzigen Schiedsrichter, mittlerweile sind es schon zwölf“, sagt Schiedsrichter-Obmann Hans-Jörg Kroh. Darunter ist mit Jana Teipelke auch eine Frau, die schon Spiele bis zur Damen-Oberliga pfeift.

Doch die Suche nach neuen Unparteiischen bleibt für viele Vereine ein mühseliges Geschäft. „Wir schaffen es nicht, zu vermitteln, was für ein tolles, den Charakter bildendes Hobby die Schiedsrichterei ist“, bedauert Byernetzki.