Neuallermöhe. Finn Abel aus Neuallermöhe war ein begeisterter Footballer – bis ihn eine defekte Herzklappe stoppte.

Die Pulsuhr am Handgelenk von Finn Abel zeigt 105 Schläge pro Minute an. Über sein Schicksal zu sprechen, macht den 16-jährigen Schüler aus Neuallermöhe nervös. Darüber, wie er früher bei der TSG Bergedorf leidenschaftlich gern American Football gespielt hat. Darüber wie er den verhängnisvollen Befund bekam und diese Pulsuhr zum Taktgeber seines Lebens wurde. Wegen einer defekten Herzklappe darf sein Puls nicht mehr über 135 steigen, sonst besteht Lebensgefahr. Das kommt einem Sportverbot gleich. „135 ist so schnell da“, klagt er, „nicht einmal Joggen geht mehr.“

Zwölf Organspenden auf eine Million Einwohner

Das Einzige, was ihm helfen könnte, wäre eine Spender-Herzklappe. Seit Juli steht er auf der Warteliste, zusammen mit 9500 anderen. Wo genau, das weiß er nicht. Das wird geheim gehalten. Je besser es einem Patienten geht, desto später kommt er dran. 955 Menschen wurden 2018 in Deutschland durch Organspenden gerettet. Das sind gerade mal zwölf Organspenden auf eine Million Einwohner.

Die Abels – eine Football-verrückte Familie

Noch vor einem Jahr ahnte der angehende Abiturient der Neuallermöher Gretel-Bergmann-Schule nichts von dieser Liste. „Ich habe meinen Sport betrieben wie viele andere Jugendliche in meinem Alter auch“, erinnert er sich. Die Abels sind eine Football-verrückte Familie. „Der Super Bowl ist bei uns eine größere Feierlichkeit als Weihnachten“, schmunzelt Finns ältere Schwester Fiona (21). Sie ist als Physiotherapeutin nicht nur in der Junioren-Regionalliga für Finns Team, die Hamburg Iron Swans da, sondern betreut auch den Kieler Erstligisten Baltic Hurricanes. Vater Kai hat früher Flag-Football gespielt, die körperlose Variante des amerikanischen Nationalsports.

Als Quarterback der Strippenzieher auf dem Feld

Mit der hat auch Finn Abel vor sechs Jahren bei den Junior Swans begonnen, dem Kinder-Team der TSG Bergedorf. Schnell zeigte er Talent im Umgang mit dem Leder-Ei und avancierte zum Quarterback, dem Spielmacher. „Die Trainer haben damals einfach geguckt: Wer passt von der Statur her“, schildert er. Der schlanke, sportliche Schlacks brachte alle Voraussetzungen mit. Quarterbacks sind die Könige des Footballs. Sie sind die Strippenzieher auf dem Feld, die mit ihren Pässen die Mitspieler in Szene setzen. Finn Abel machte sich so gut, dass er im Sommer 2018 als 15-Jähriger schon ins Tackle-Team, den Iron Swans, aufrücken und dort mittrainieren durfte. Spiele im Kontakt-Football sind erst ab 16 Jahren erlaubt.

Wachstumsschub sorgt für gesundheitliche Krise

Doch dazu sollte es für ihn nicht mehr kommen, denn auch das Schicksal hatte seine Strippen längst gezogen. Dass sein Herz nicht ganz gesund ist, wusste Finn Abel schon immer. Kurz nach seiner Geburt diagnostizierten die Ärzte einen vierfachen Herzfehler, eine sogenannte Fallotsche Tetralogie. Sauerstoffreiches und sauerstoffarmes Blut mischten sich. Mit acht Monaten wurde er operiert. „Danach hatte er wieder eine Blutsättigung von 100 Prozent. Alles war gut. Doch wir wussten, dass es zu Schwierigkeiten kommen kann“, schildert sein Vater Kai Abel. Einmal pro Jahr ging es zur Kontrolle, stets ohne Befund. „Das war Routine“, sagt Finn Abel. Doch dann machte er einen Wachstumsschub durch, schoss in kurzer Zeit auf seine jetzige Größe von 1,85 Metern. Das war sein Verhängnis, denn die Herzklappe hielt nicht mit, wurde undicht. Von einem Tag auf den anderen war es vorbei mit Football.

Ein Organspender kann sieben Leben retten

Der Neuallermöher ging offen mit seinem Schicksal um, erzählte seinem Team davon und postete seinen Fall auf Ins­tagram. Er will auf die Situation von Menschen wie ihm aufmerksam machen, die auf Organspenden angewiesen sind. „Ein einzelner Organspender kann bis zu sieben Leben retten, aber es gibt viel zu wenige“, beklagt er, „nach dem Instagram-Eintrag ging alles wahnsinnig schnell. Ich habe Hunderte Reaktionen bekommen. Selbst NFL-Star Björn Werner hat sich gemeldet. Aber wirklich umgehauen hat es mich, als ich sogar Antworten aus den USA bekam.“

Finn Abel ist entschlossen: „Ich will eines Tages Football spielen.“ Denn das ist sein Traum, das ist das Spiel seines Lebens. Dafür lebt er – und nicht für den ständigen Blick zur Pulsuhr.