Wentorf. Bürgerpreis Bergedorf Slavec Rogowski engagiert sich für Flüchtlinge, im Sportverein und in der Gemeinde
Für Slavec Rogowski gibt es kaum Schöneres, als im Sommer mit seiner Familie auf der Terrasse zu sitzen und zu grillen. Das Glück des kleinen Mannes ist etwas, das er selbst lange nicht erleben durfte. Der 37-Jährige ist in schwierigen Familien-Verhältnissen aufgewachsen, nachdem seine Eltern 1989 aus politischen Gründen aus Polen geflohen waren. „Ich bin mit echt harten Jungs aufgewachsen“, sagt der Wentorfer.
Heute engagiert sich Slavec Rogowski, dessen richtiger Vorname „Slawomir“ nur noch im Pass steht, auf vielfältige Weise: Er hilft Flüchtlingen bei Behördengängen oder im täglichen Leben, packt beim Rathausfest der Gemeinde oder beim Lohelauf tatkräftig mit an und ist beim Sport-Club Wentorf das Mädchen für alles. Rogowski ist Coach der Bezirksliga-Fußballer, leitet ein Fördertraining für Flüchtlingskinder, war auch schon Jugend- und Abteilungsleiter, Schiedsrichter-Obmann und hat zudem teilweise bis zu vier Jugendteams gleichzeitig trainiert.
„Ich nehme gar nicht mehr wahr, was ich alles mache“, sagt der 37-Jährige, der sich mit seiner Frau zu Hause zudem noch um seinen behinderten Sohn zu kümmern hat. Die Gemeindevertreter haben es aber sehr wohl registriert. Für seine Verdienste um Wentorf ist der 37-Jährige jüngst von der Gemeinde mit der Ehrenplakette ausgezeichnet worden – als bislang jüngster Preisträger. Auch für uns ist Slavec Rogowski ein Kandidat für den Bürgerpreis Bergedorf, den die Volksbank Bergedorf und die Bergedorfer Zeitung vergeben.
„Das Leben ist ganz einfach. Jeder bekommt eine Chance. Man muss nur selbst etwas dafür tun. Ich versuche lediglich, ein bisschen was zurückzugeben und ein Vorbild zu sein“, sagt der Wentorfer. „Mein Opa hat immer gesagt: Wenn dich etwas stört, krempele die Ärmel auf und ändere was!“
Die Arbeit mit Flüchtlingen liegt ihm dabei besonders am Herzen. Schließlich war er ja selbst einer. „Ich weiß, was bei denen im Kopf vorgeht!“
Als der kleine Slavec mit acht Jahren nach Deutschland kam, hat er vieles nicht verstanden. Etwa, warum seine Eltern, nachdem sie mit einem gefälschten Urlaubsvisum in die Bundesrepublik Deutschland gekommen waren, plötzlich auf dem Standstreifen der Autobahn anhielten und die geglückte Flucht feierten. In einem doppelten Boden des Autos hatte der Vater, ein Maschinenbau-Ingenieur, alle wichtigen Dokumente versteckt. „In der Mönckebergstraße habe mich wie in Las Vegas gefühlt. Und eine Woche vorher musste ich noch in Danzig mit einer Essensmarke Brot kaufen“, erinnert sich der Wentorfer.
Der Anfang in der neuen Heimat war jedoch schwer für die Rogowskis. Beide Eltern hatten studiert, doch hierzulande wurden ihre Ausbildungen nicht anerkannt. Die Mutter landete am Fließband, der Vater wurde Hausmeister. Dazu kamen schwierige Lebensumstände. Die erste Wohnung lag in einem Flüchtlingsblock in Billwerder-Moorfleet „Das Haus der tausend Lichter“, nennt es Slavec Rogowski. „Da lernst du das Leben anders kennen. Bei uns ist mehr als zehn Mal eingebrochen worden. Ich war der einzige blonde Junge im Block und bin oft mit einer blutigen Nase nach Hause gekommen. Da wird man kerniger.“
Der Vater kommt mit der Situation nicht zurecht und beginnt zu trinken. Die Eltern trennen sich. Slavec, der beim Vater blieb, beginnt mit Boxen, um sich behaupten zu können. „Ich war plötzlich der, der austeilen konnte. Da habe ich unschöne Seiten an mir festgestellt und meinem Vater gesagt: Wir müssen hier weg.“ Vom Containerdorf an der Rothenhauschaussee geht es nach Neuallermöhe-West.
Slavec ist gerade mal 16, als er von zu Hause in eine winzige Einzimmer-Wohnung zieht. Er macht sein Fach-Abitur nach und beginnt eine Ausbildung. „Für Kiez und Party hatte ich kein Geld. Ich habe nach der Lehre im Boxstudio geputzt und habe bei der HT 16 Tanzunterricht gegeben. Nach außen habe ich die große Show gespielt.“
Erst als er mit seiner Frau Sarah zusammenkommt, bröckelt die Fassade. Die Söhne Levy und Lenny werden geboren. Der jüngere ist wegen eines angeborenen Chromosom-Fehlers schwerbehindert. „Ich habe den Block überlebt, aber das ist die härteste Aufgabe meines Lebens“, sagt Rogowski. Auch diese meistert er und beginnt damit, anderen etwas von seinem gewonnenen Glück zurückzugeben. Oder wie es Rogowski sagt: „Bis zum Steak auf der Terrasse war es ein langer Weg.“