Kirchwerder. Zum zweiten Mal nach 2016 siegt Kristina Boe beim CHIO in Aachen – mit einer Kür, die alles in den Schatten stellt.
Kirchwerder. Affenlaute zu Beginn der Kür. Dann die Stimme der britischen Schimpansen-Forscherin Jane Goodall aus dem Off: „Afrika. Dies war der Ort meiner Bestimmung.“ Schon der Beginn der neuen Kür von Weltklasse-Voltigiererin Kristina Boe vom Reit- und Fahrverein Kirchwärder ist ungewöhnlich. Der Ort ihrer Bestimmung, das ist die Aachener Soers. Zum zweiten Mal nach 2016 hat sie den Einzel-Wettbewerb beim berühmtesten Pferdesport-Event der Welt gewonnen.
„Ein saugutes Gefühl“
„Das ist ein saugutes Gefühl. Der Sieg beim CHIO ist für jeden Voltigierer ein Meilenstein in der Karriere, und ich bin dankbar, mich hier bereits das zweite Mal verewigen zu können. Und das mit einem so klaren Sieg“, freute sich die 30-jährige Unfall-Chirurgin über ihren neuerlichen Triumph.
Ausgerechnet am „Welt-Schimpansen-Tag“ stand das Finale von Aachen an. „Das kann kein Zufall sein“, entfuhr es Boe vor ihrer Kür. Nach einem zweiten Platz in der Pflicht hatte sie auf „Don de la Mar“ mit Longenführerin Winnie Schlüter das Technikprogramm gewonnen und so die Weichen auf Sieg gestellt. In der Kür war die amtierende Europameisterin und Weltcup-Siegerin dann eine Klasse für sich. Mit 8,186 Punkten setzte sie sich im Gesamtklassement deutlich vor ihrer Dauer-Rivalin Sarah Kay aus Münster auf „Sir Valentin“ (7,927) und Janika Derks aus Neuss auf „Carousso Hit“ (7,902) durch. Überraschend erst auf Rang vier folgte die Weltcup-Siegerin von 2017, Anna Cavallaro aus Italien (7,807).
Sogar ein Notizbuch fehlt nicht
Doch unter den Augen von Bundestrainerin Ulla Ramge und Borussia Mönchengladbachs Fußball-Trainer Dieter Hecking, der als Zuschauer in Aachen weilte, überstrahlte der Auftritt von Boe alles. Wie schon zuvor als „Zombie“ und als Lumpensammlerin Rey aus dem „Krieg der Sterne“ beweist die Vierländerin auch bei ihrer neuen Kür Experimentierfreude – und Sinn fürs Detail. In der Hosentasche ihres kecken sportlich-grünen Dschungel-Outfits steckt ein schwarzes Notizbuch. Der Forscherin Jane Goodall könnte ja unterwegs etwas auffallen, das sie sich unbedingt notieren muss.
Feuerwerk an Höchstschwierigkeiten
Als Athletin, die Höchstschwierigkeit an Höchstschwierigkeit reiht, galt Boe schon immer. Doch selbst die anspruchsvolle Zombie-Kür von vor zwei Jahren kann sich nicht im Ansatz mit dem Feuerwerk vergleichen, das die Europameisterin nun in ihrer Rolle als Jane Goodall abbrennt. Wo sie sich als „Zombie“ noch Ruhepausen durch Balance-Teile gönnte, ist sie bei der neuesten Kür nun pausenlos auf dem Pferd unterwegs, reiht Akrobatik-Teil an Akrobatik-Teil, springt auch zweimal hinunter und wieder rauf. Selbst Höchstschwierigkeiten wie zwei Sprungrollen oder ein 180-Grad-Pirouettensprung auf dem Pferderücken, bei dem es vor Jahren noch den einen oder anderen Wackler gab, gelingen ihr nun perfekt.
Ein perfektes Team
„Ich bin unheimlich froh, dass wir hier das erste Mal in diesem Jahr drei gute Runden zeigen konnten“, merkte sie selbstkritisch an. Die gewachsene Nervenstärke ist sicher auch auf das über Jahre gewachsene Team zurückzuführen, das Boe mit Longenführerin Winnie Schlüter, Tierpflegerin Wiebke Schlüter und dem 17-jährigen Sachsen-Anhaltiner Wallach „Don de la Mar“ bildet. „Alle drei zusammen haben das Pferd im Winter dem Reit- und Fahrverein abgekauft“, verrät Ruf-Pressewartin Vanessa Vogt, „das ist sicher auch so eine emotionale Geschichte nach dem Motto: ,Du gehörst jetzt zur Familie.’“
Weltreiterspiele im September
Die nächste Station für das Erfolgs-Quartett sind nun die Weltmeisterschaften im Rahmen der Weltreiterspiele vom 11. bis 23. September in Tryon (North Carolina/USA). Für die hat sich auch Jannik Heiland vom RuF Kirchwärder qualifiziert, der in Aachen Zweiter wurde und so auf den letzten Drücker das Ticket löste.