Glinde. Unser Bürgerpreis-Kandidat Walter Otto ist der Vater des lokalen Tanzsportbooms.
Glinde. Der Mann geht mit der Zeit. Emsig blättert Walter Otto mit einem Touchpen durch die Seiten seines Smartphones, immer auf der Suche nach einer Telefonnummer, einem Foto, einer Notiz. Die digitalen Medien bereiten dem 79-Jährigen kein Problem. Doch eigentlich bräuchte er das elektronische Archiv in seiner Hand gar nicht. Die wesentlichen Daten seines Lebens hat er alle auswendig im Kopf.
Seit 38 Jahren ist Walter Otto Vorsitzender der Tanzsport-Abteilung im TSV Glinde, die er am 21. Februar 1980 mitbegründet hat. Damals waren es vier Tanzpaare, die sich von der TSG Bergedorf losgesagt hatten und sich beim TSV eine neue Heimat aufbauen wollten. „Wir haben dann geschaut: Wo ist Tanzen eine Marktlücke und sind so auf Glinde gekommen“, erinnert sich Otto. Nach einem Jahr hatte die neue Sparte schon 100 Mitglieder, heute sind es mehr als 500.
Retter des Vereins
Als langjähriger Förderer des Tanzsports und des Vereins half Otto zudem mit, den TSV Glinde in den 90er-Jahren während der Turbulenzen um das Sport-Hotel und das Tanzsport-Zentrum vor dem Konkurs zu bewahren, riskierte dabei sogar sein eigenes Vermögen. Liegt dies mittlerweile in der Vergangenheit, so hat Otto in seinem ehrenamtlichen Engagement nie nachgelassen. Bis heute arbeiten seine Frau Giesela und er rund 60 Stunden pro Woche für die Tanzsport-Abteilung des TSV. Jetzt ist er nominiert als Kandidat für den Bürgerpreis der Volksbank Bergedorf und der Bergedorfer Zeitung.
Doch wer weiß, ob es jemals zu dieser außergewöhnlichen Karriere gekommen wäre, hätte es im Jahr 1951 an der Realschule Hamburg-Sasel Nord nicht ein Mädchen namens Marion gegeben. „Ich war zwölf Jahre alt, und wir hatten eine Schulleiterin, die alle zum Volkstanz trieb“, erinnert sich der gebürtige Hamburger. „Nach der Stunde kam ich an der Mädchen-Umkleide vorbei und hörte, wie jene Marion sagte: ,Der Walter ist ja so derartig blöd, der hat ja überhaupt keine Ahnung’.“
„Ich hatte panische Angst vorm Tanzen“
Ein Trauma war die Folge. „Ich hatte eine panische Angst vorm Tanzen. So habe ich mich einmal bei einer Betriebsfeier krank gemeldet, nur um nicht tanzen zu müssen“, klagt der frühere Groß- und Außenhandelskaufmann. Eine Anzeige brachte schließlich die Wende: „Alle Tänze in einem Kurs. Teilzahlung möglich. Mädchen jede Menge.“ Otto meldete sich an, doch die Realität der späten 50er-Jahre war eine andere. „Damals wollten alle Männer tanzen. Als ich dort ankam, waren da 55 Jungs und 15 Mädchen“, schmunzelt der 79-Jährige.
Doch Walter Otto blieb dabei, und das war sein Glück. „1961 in der Hamburger Tanzschule am Mittelweg hat mich so ein kleines Mädchen zweimal abgeklatscht. So wurde ich auf sie aufmerksam“, erinnert er sich. Es sollte eine Verbindung fürs Leben sein. 1964 heiratete er das „kleine Mädchen“. Und Giesela und Walter Otto stiegen zu einem der führenden Standard-Paare in Hamburg auf. Sie wurden Vize-Landesmeister und vertraten Hamburg dreimal bei deutschen Meisterschaften.
Rastloser in Sachen Tanzen
Vor allem seinen Lieblingstanz, den Slowfox, schätzt Walter Otto sehr. Bis vor ein paar Jahren hat er sein Wissen noch selbst in Anfänger-Kursen weitergegeben. Doch auch jetzt, wo es nicht mehr so leicht fällt, eine kesse Sohle aufs Parkett zu legen, ist sich der Vorsitzende für nichts zu schade. So wird er am morgigen Freitag mit anpacken, um das Tanzsport-Zentrum für die Michel-Pokale vorzubereiten, einer Großveranstaltung mit über 400 Paaren. Glinde hat längst einen festen Platz im deutschen Turnierkalender. Otto ist weiter ein Rastloser in Sachen Tanzen – genauso rastlos, wie er durch die Seiten seines Smartphones surft.