Neuallermöhe. Was macht eigentlich? Nicole Müller startete bei Olympia in London

Mindestens fünf Stunden Training – und das sechs Mal in der Woche. Der Bundesstützpunkt in Fellbach-Schmiden an der Stadtgrenze von Stuttgart war rund fünf Jahre lang wie eine zweite Heimat für Nicole Müller; Seil, Bälle, Keulen, Reifen und Bänder ihre geliebten und vertrauten Sportgeräte. Anfang 2015 zog sie dann einen Schlussstrich. Die Rhythmische Sportgymnastin aus Neuallermöhe, die zu den besten Deutschlands gehörte, hängte ihre Kappen genannten Schuhe an den Nagel. Ade, Leistungssport! Und heute?

„Es war der richtige Zeitpunkt. Ich habe sehr schnell mit dem Leistungssport abgeschlossen und den Schritt nie bereut“, sagt Müller selbstbewusst. Die 22-Jährige lebt in Stuttgart und absolviert in der Nähe der Schwaben-Metropole eine Ausbildung zur Indus­triekauffrau. Dass sie sich offensichtlich in ihrer Wahlheimat sehr wohlfühlt, kann die frühere Athletin des SV Nettelnburg/Allermöhe nicht verbergen – selbst wenn sie wollte. Schon nach wenigen Sätzen wechselt die Neuallermöherin während des Gesprächs fröhlich ins Schwäbische. „Wenn ich bei meinen Eltern bin, rede ich aber ganz schnell wieder hochdeutsch“, erklärt sie.

Im Alter von sechs Jahren begann Nicole Müller bei Olga Golecko mit der Rhythmischen Sportgymnastik. „Sie war immer mit vollem Einsatz dabei“, erinnert die sich. Das Talent ihres Schützlings fiel auch den Trainern im Nationalmannschaftszentrum früh auf. „Na, wann kommt Nicole zu uns?“, wurde Olga Golecko häufig gefragt. Doch noch war der Weg weit.

Denn sie musste sich alles hart erarbeiten. „Ich war komplett talentfrei“, drückt es Nicole Müller aus. „Die Beweglichkeit war nicht so da“, fügt Olga Golecko hinzu. Aber was ihre Schülerin auszeichnete, war ein starker Wille. Und damit hat sie es weit gebracht. Mit 16 Jahren verließ Nicole Müller ihr Elternhaus in Neuallermöhe und folgte dem Ruf nach Fellbach-Schmiden. Auch sportlich änderte sich eine Menge, nicht nur, was den Trainingsaufwand betraf. Denn Nicole Müller war Einzelturnerin und startete nun im Team, Gruppe genannt.

Ihr sportlicher Höhepunkt war zweifelsfrei die Teilnahme an den Olympischen Spiele 2012 – auch wenn die deutsche Nationalmannschaft das Gruppen-Finale verpasste und Zehnter wurde. „Olympia war die größte Sache“, sagt Nicole Müller, die sich damals über die schlechten Wertungen ärgerte. Nach der Europameisterschaft 2014 zog sie sich dann einen Ermüdungsbruch zu, verpasste dadurch die Weltmeisterschaft. Kurz darauf war Schluss.

Nach ihrem Karriereende trainierte sie noch eine Zeit lang den Nachwuchs. Doch das kollidierte mit ihrer Ausbildung. Nun war die Verbindung zu „ihrem“ Sport endgültig gekappt. „Ich habe endlich ein anderes Leben kennengelernt“, sagt sie rückblickend.