Wentorf. Wie der Trainer des SC Wentorf, Slavec Rogowski, mit seinem Sohn Lenny die Champions League gewann.
Wentorf. Der Tag an dem Slavec Rogowski seinen ganz persönlichen Champions-League-Sieg erleben sollte, beginnt mit einer ungewöhnlichen Ansage seines Sohnes. „Ich will beim Lohelauf mitmachen“, erklärt Lenny seinem Vater und seiner Mutter Sarah. Die Eltern nehmen die Worte des Siebenjährigen zunächst nicht ernst. Ihr Filius ist zuvor nie mehr als 300 Meter gegangen, und nun will er 1,5 Kilometer laufen. „Mein erster Gedanke war: Ohne fremde Hilfe ist das unmöglich“, sagt Slavec Rogowski.
Lenny ist mit einer seltenen Krankheit auf die Welt gekommen. Er hat das Prader-Willi-Syndrom (PWS). Dabei handelt es sich um einen genetischen Defekt. Menschen mit PWS sind in der Regel kleinwüchsig, ihre Muskulatur ist in jungen Jahren schwach ausgebildet. Bewegung ermüdet sie schnell. Auch intellektuell und motorisch sind sie nicht so leistungsfähig wie ihre Altersgenossen. Hinzu kommt: Menschen mit PWS empfinden kein Sättigungsgefühl. Sie können permanent essen. Heilbar ist diese Krankheit nicht.
Lenny lernt langsam
„Direkt nach der Geburt sagte mir ein Arzt, dass sich mein Sohn nie wird sportlich bewegen können“, erinnert sich Slavec Rogowski. Das Einzige, was Lenny damals konnte, ist atmen. Zweimal bleibt sein Herz stehen, wochenlang liegt er auf der Intensivstation. Er lernt – ganz langsam: mit drei Jahren laufen, mit vier sprechen. Er bekommt Hormone gespritzt. Seine Stimmungen schwanken stark. Mal nervt er die Familie stundenlang mit seinen Fragen, dann wieder schaut er in sich gekehrt ein Buch nach dem anderen an.
Den Eltern haben die Ärzte nach der Geburt eine Eheberatung empfohlen. Als Slavec Rogowski das berichtet, schaut er seiner Frau tief in die Augen. Beide müssen grinsen. „Die Krankheit unseres Sohnes hat uns zusammengeschweißt“, sagt Sarah Rogowski. Und sie haben ihren Verein: den SC Wentorf. Die 35-jährige Sarah arbeitet auf der Geschäftsstelle, ihr gleichaltriger Mann als Fußball-Trainer – erst im Jugendbereich, dann übernimmt er die 2. Herren.
Vor zehn Tagen befördert
Vor zehn Tages wird der Verkaufsleiter eines Industrieunternehmens befördert: zum Chefcoach der ersten Mannschaft, die in der Bezirksliga kickt. Auch sein ältester Sohn Levy (11) spielt in Wentorf Fußball. Und immer dabei ist Lenny: sei es nun bei den Spielen des älteren Bruders oder den Partien seines Vaters. Selbst Fußball zu spielen kommt für ihn allerdings nicht in Frage.
Aber der Lohelauf. Lenny besteht darauf. Es ist zwar kein Marathon, für ihn aber irgendwie schon. Slavec Rogowski läuft zusammen mit seinem Sohn. Er stellt sich darauf ein, ihn irgendwann huckepack zu nehmen. Doch Lenny fragt nicht danach. Er hält durch. Als sie sich dem Ziel nähern, beginnen die Zuschauer zu rufen: „Len-ny, Len-ny.“ Vater Slavec bekommt eine Gänsehaut, als sein Junge die Ziellinie überquert. „Jeder Mensch hat einen Willen, mit dem man alle Grenzen überwinden kann“, sagt er und weiter, jetzt wieder ganz der Fußballer: „Das ist mein ganz persönlicher Champions-League-Sieg.“