Kirchwerder. Für Martin Harnik ist es seine zweite Europameisterschaft. Vor dem Turnier in Frankreich stand der Junge aus Kirchwerder unserer Zeitung Rede und Antwort.
Martin Harnik, der Junge aus Kirchwerder und Halb-Österreicher, der das Fußballspielen beim SC Vier- und Marschlande gelernt hat, steht unmittelbar vor seiner zweiten Europameisterschaft. Mit der Alpenrepublik trifft der 28-Jährige im letzten Test vor der Fußball-EM in Frankreich heute auf die Niederlande. Mit unserer Zeitung hat der Noch-Profi des VfB Stuttgart (Vertrag läuft aus) neben der EM auch über sein turbulentes Jahr gesprochen.
Herr Harnik, wo erwischen wir Sie gerade?
Martin Harnik: Ich bin in Wien. Wir haben gleich das Abschlusstraining vor dem Länderspiel gegen Holland.
Kann man sagen, dass hinter Ihnen das ereignisreichste Jahr Ihrer Karriere liegt?
2016 war bisher in der Tat eine Achterbahnfahrt der Gefühle: erst die Geburt meiner Tochter, dann der Abstieg mit dem VfB Stuttgart, an dem ich bestimmt zwei Wochen richtig zu knabbern hatte und jetzt die EM mit Österreich. Langsam beginnt die Anspannung vor dem Turnier.
Was ist in Frankreich für Österreich möglich? Sie spielen in Gruppe C mit Portugal, Island und Ungarn und sogar die vier besten Dritten kommen ins Achtelfinale.
Viele Leute in Österreich haben nach der Auslosung gesagt, dass wir sicher ins Achtelfinale kommen. Doch die Gruppe ist trügerisch mit drei Überraschungsteams und Portugal. Viel wird von der Tagesform abhängen. Island und Ungarn darf man nicht unterschätzen.
Für Sie ist es das zweite große internationale Turnier nach der EM 2008 im eigenen Land. Was ist diesmal anders?
Es steckt ein Weg dahinter, Arbeit und Erfolg. Anders als 2008, wo wir als Gastgeber automatisch dabei waren, haben wir uns diesmal sportlich qualifiziert. Das ist viel höher einzuschätzen. Wie mit selbst verdientem Geld: Das ist auch schöner, als etwas geschenkt zu bekommen. Im Nachhinein bereue ich, dass ich das Turnier 2008 nicht richtig genossen habe. Ich habe es als zu selbstverständlich hingenommen. Das lag wohl am Alter. Jetzt brenne ich richtig darauf. Außerdem ist es eine riesige Chance für mich, eine Visitenkarte abzugeben.
Gutes Stichwort. Es ist noch nicht raus, wo Sie in der neuen Saison spielen werden. In einem Videoporträt des österreichischen Fernsehens, das man auf Youtube unter „Die Stunde der Sieger: Martin Harnik“ findet, sagen Sie, dass Sie Stuttgart, wo Sie sechs Jahre waren, besser als ihre Heimatstadt Hamburg kennen. Ist es nicht an der Zeit, das zu ändern?
(lacht) Das wurde so oft in der jüngeren Vergangenheit thematisiert. Da möchte ich nichts mehr zu sagen.
In einer aktuellen Meldung werden Sie damit zitiert, dass Sie ein Wechsel nach England reizen würde. Ist das nicht weit weg für einen „Dorfjungen“, als den Sie sich in dem angesprochenen Video bezeichnen?
(lacht) Von Stuttgart nach Hamburg dauert es auch nicht länger als mit dem Flugzeug von England. Meine Frau und ich haben uns darauf verständigt, dass unsere private Endstation auf jeden Fall Hamburg ist. Hier sollen meine Kinder aufwachsen. Wenn wir was anderes kennenlernen wollen, dann jetzt. England reizt mich wegen der Sprache und der Auslandserfahrung.
Aus Stuttgart verabschieden Sie sich mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Auch Ihr Name wird jetzt mit dem Absturz des Traditionsclubs in Verbindung gebracht. Wie gehen Sie damit um?
Mittlerweile habe ich es akzeptiert. Das gehört jetzt zu meiner Karriere dazu, auch wenn es eine Erfahrung ist, auf die ich gern verzichtet hätte. Ich habe in dieser Zeit einige nicht so schöne Dinge lernen müssen. Aber das hilft mir für später weiter.
Was meinen Sie genau?
Es hat wehgetan, dass ich im letzten Heimspiel auf die Tribüne verbannt wurde. Ich glaube, dass ich sportlich hätte helfen können. Aber in solch einer Stresssituation handeln manche Leute nicht immer nachvollziehbar – auch außerhalb des Platzes. Das hat mir die Augen geöffnet.
Wen meinen Sie?
Das möchte ich nicht sagen. Es hilft doch nicht mehr, jetzt noch nachzutreten.
Okay. Letzte Frage: Erklären Sie uns doch bitte abschließend noch, wie man sich als Profi-Fußballer während eines Turniers seine Zeit vertreibt.
Das ist wie ein riesiges Kinderzimmer (lacht). Mit meinem Teamkollegen Sebastian Prödl habe ich eine Competition (Wettkampf, die Red.) laufen. Im Tischtennis bin ich abgeschlagen hinten, aber im Dart ist es andersherum. Und manchmal reden auch wir Fußballprofis einfach nur.