Herzenssache: Wie Fußballer aus dem Heimatgebiet mit dem Hamburger SV leiden
Am Sonntag um 15.30 Uhr, wenn im fernen Augsburg der Anstoß erfolgt, werden sich Peter Stut und seine Kumpel wieder bei ihrem Freund Enrico Gelati in Ochsenwerder vor dem Fernseher versammeln, in der "Chico-Arena", wie sie es nennen. Enrico "Chico" Gelati ist der einzige im Freundeskreis, der Sky abonniert hat, und das macht ihn für zwei Stunden zum beliebtesten Mann in ganz Ochsenwerder.
Feierlich werden sie dann eine Kerze für den Hamburger SV anzünden. "Das haben wir vor drei Wochen das erste Mal beim Heimspiel gegen Leverkusen gemacht, und prompt hat der HSV 2:1 gewonnen", schwärmt Stut. Allerdings haben sie besagte Kerze danach auch bei den Spielen in Hannover (1:2) und gegen Wolfsburg (1:3) angesteckt, und jedes Mal setzte es Niederlagen. Wenn also selbst Voodoo und Aberglauben versagen, welche Hoffnung gibt es dann noch im Kampf um den Klassenerhalt?
Zumindest bleibt ihnen die Erinnerung. Der 46-jährige Stut, der zwischen 1988 und 1999 für den VfL Lohbrügge, Bergedorf 85 und den TSV Kirchwerder kickte, hat die große Zeit des HSV miterlebt, war beim Pokalsieg 1987 sogar im Stadion. Im Gegensatz zu den aktuellen Fußballern, die vom HSV fast nur Krisen kennen. Christoph Hammel vom SC Schwarzenbek ist 1983, im letzten Meisterschaftsjahr des HSV, geboren. "Da kann man wohl kaum sagen: ,Ich war dabei!'", seufzt er. "Andere erinnern sich an Europapokal-Siege, da möchte ich nicht später sagen müssen: ,Ich habe den Abstieg miterlebt.'"
Um den HSV jederzeit live sehen zu können, hat er sich Sky angeschafft. Doch manchmal riss sein Geduldsfaden. "Dann habe ich vom HSV-Spiel auf die Bundesliga-Konferenz umgeschaltet, weil ich es einfach nicht mehr ertragen habe, wie lustlos die da rumgelaufen sind", schildert er.
Doch selbst wenn am Ende der Abstieg stehen sollte, würde es seine Liebe zum Verein nicht beschädigen. Genau wie bei Marcel Jeremias von der TuS Dassendorf. Der 27-Jährige trägt den HSV sogar als Tattoo auf seiner Brust. "Und das trage ich weiterhin mit Stolz", betont er, "ich überlege sogar, mir noch ein zweites stechen zu lassen, wenn ich das richtige Motiv gefunden habe."
Einig sind sich alle kickenden HSV-Fans, dass ein Abstieg die logische Konsequenz der bisher gezeigten Leistungen wäre. "Verdient hätten sie es", räumt Björn Brust vom SV Börnsen ein, der als Verteidiger vor allem mit Unglücksraben wie Heiko Westermann mitfühlen kann: "Ihm fehlt es einfach an Geschwindigkeit. Er ist gefühlte 50 Mal in dieser Saison überlaufen worden."
Ein Abstieg wäre verheerend für die Zuschauerzahlen, ist Oliver Staab vom SC Wentorf überzeugt. "Wie der FC St. Pauli selbst noch in der Regionalliga vor einem ausverkauften Haus zu spielen, das würde es beim HSV nicht geben", sagt er. Aber soweit muss es auch ja nicht kommen. Brenne, Kerze, brenne!