Lohbrügge. Früher, als Daniel Glogowski ein eisenharter Verteidiger bei Bergedorf 85 war, gingen seine Gegenspieler reihenweise zu Boden. Der Rekord des Lohbrüggers an Gelben Karten in einer Saison liegt bei 17.
Auf dem Feld raubte der gebürtige Pole selbst einem Dieter Hoeneß die Nerven. Es war 1982, als die "Elstern" und ihr damaliger Kapitän Glogowski die großen Bayern aus München in der ersten Runde des DFB-Pokals am Rand einer Niederlage hatten und erst in der Verlängerung mit 1:5 verloren.
"Heute habe ich die Fallsucht", scherzt Glogowski. Dabei sollte ihm nach Lachen eigentlich nicht zumute sein. Der heute 57-Jährige leidet an amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS. Die durchschnittliche Lebenserwartung ab Diagnose der Nervenkrankheit beträgt drei bis fünf Jahre (siehe Kasten).
Begonnen hatte alles mit einem Humpeln. Glogowski, der 1977 seine Heimatstadt Danzig als Spätaussiedler verlassen hatte, schob es beiläufig als Spätfolge seiner Fußballer-Laufbahn ab. Allerdings beendete der gelernte Schiffsbautechniker deshalb Ende 2010 seine Tätigkeit als Stützpunkttrainer beim Hamburger Fußball-Verband. Erst als er mehrfach unvermittelt gestürzt war, ging Glogowski zum Arzt. "Ich hatte das Gefühl, dass mein rechtes Bein immer kürzer wird", beschreibt er seine damaligen Beschwerden.
Das Datum, in der schließlich seine Welt aus den Fugen geriet, kennt der Vater zweier Söhne auswendig: Es war der 5. Juli 2011. Umständlich hatte ihm sein Neurologe zu erklären versucht, was Glogowski bevorsteht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte dieser schon, was kommen würde. "Habe ich ALS?", fiel er dem Mediziner ins Wort. Denn auch seine Mutter und Großmutter waren daran gestorben. "Als er nickte, hat sich alles umgedreht. Aber die Familie ist noch enger zusammengerückt", sagt Glogowski, der trotzdem versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen.
Der langjährige Trainer von Bergedorf 85 II geht weiter zur Arbeit bei einer Versicherung, auch wenn die Beschwerden, die ihn eines Tages zum Pflegefall machen werden, zunehmen. Kam er anfangs mit einer Beinschiene aus, ist er nun auf den Rollstuhl angewiesen. "Der Körper will nicht mehr so", sagt der zweifache Hamburger Meister. Für den "Zappelmensch" das Schlimmste.
Mit seiner Frau Monika sucht der 57-Jährige derzeit nach einer behindertengerechten Wohnung. Auch eine Patientenverfügung ist schon ausgefüllt. "Bei einer Kur habe ich gesehen, was mich erwartet. Da habe ich von anderen auch gelernt, dass ALS für allerletzte Sch . . . steht. Aber ich bin noch relativ gut weggekommen", sagt Glogowski. Wütend macht ihn nur, dass die Versicherung ein neues Bett mit der Begründung, es sei ein Gebrauchsgegenstand des alltäglichen Lebens, abgelehnt hat.
Unterkriegen lässt er sich so schnell aber nicht. Am Montag fliegt er mit seiner Monika, mit der er gestern den 28. Hochzeitstag feierte, mal wieder nach Mallorca in den Urlaub. "Aber nur, wenn ich bis dahin nicht mehr in der Wohnung hinfalle. Sonst fliegt Monika nicht mit mir." Der Schalk sitzt Glogowski immer noch im Nacken.