Lohbrügge. Es war nur eine Prognose, eigentlich mehr ein Bauchgefühl. Doch Nikitas Dartsinis war mit diesem Tipp so gar nicht einverstanden, geradezu ein wenig beleidigt.

"Wie kannst Du so einen Mist schreiben?", herrschte mich der Obmann des VfL Lohbrügge vor einigen Jahren an, weil ich den Landesliga-Fußballern des Klubs vor Saisonbeginn nicht mehr als ein Platz im Tabellenmittelfeld zutraute. Im nächsten Moment glitzerten seine großen blauen Augen, er lächelte, kam auf mich zu und gab mir einen Klaps auf die Schulter. So ist Nikitas Dartsinis, den alle nur liebevoll "Niki" rufen. Stets trägt er seinen VfL im Herzen und selbiges nicht selten auf der Zunge. Nie aber würde der in Ehren ergraute umtriebige Funktionär verletzend oder unfair werden. "Er ist ein überaus liebenswerter Mensch", charakterisiert Lohbrügges Präsident Jens Wechsel den Obmann, der bereits seit 1983 im Management des Vereins tätig ist. Am heutigen Sonnabend feiert Dartsinis seinen 70. Geburtstag - natürlich im Klubhaus am Binnenfeldredder.

Dartsinis wird sich dem Anlass angemessen in Schale werfen müssen, die Glückwünsche im feinen Zwirn entgegennehmen. Das mag der in Glinde wohnhafte Jubilar eigentlich so gar nicht. Anzüge, Krawatten und Faltenhosen sind nichts für einen Mann, der sich alles hart erarbeiten musste in seinem Leben. Wenn Dartsinis seinen Jungs beim Kicken zuschaut, tut er dies in Jeans, Turnschuhen und einer blauen Trainingsjacke des VfL. Wer ihn nicht kennt, kann nicht erahnen, dass Dartsinis mehr als ein Obmann für die Lohbrügger ist. Er ist ein großzügiger Gönner mit großem Fußballsachverstand.

Um den Menschen Nikitas Dartsinis kennenzulernen, seinen Charakter zu verstehen, bedarf es eines Blicks auf seine Vita. Der im westgriechischen Agrinion geborene und in Piräus aufgewachsene Dartsinis ist 19 Jahre alt, als er sich entschließt, sein Glück in Deutschland zu versuchen. "Er kam mit einer Plastiktüte und 42 Mark in der Tasche am Hamburger Hauptbahnhof an", erzählt sein Sohn Alexander Dartsinis. Keine idealen Voraussetzungen, um fernab der Heimat Fuß zu fassen. Doch Nikitas Dartsinis ist ein Kämpfer. Er beginnt ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Tagsüber lernt er, nachts schuftet er bei Thyssen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. "Er erzählt oft, dass er sich damals von Brot mit Margarine und Zucker ernährt hat", verrät VfL-Präsident Wechsel.

Die Schufterei zahlt sich aus. Nikitas Dartsinis hat großen Erfolg auf seinem Berufsweg. Viele Jahre lang leitet der Grieche die Buchhaltung einer großen Spedition. Später steigt er zeitweise in die Gastronomie und das Immobiliengeschäft ein. Seine Bescheidenheit legt der umtriebige Südländer aber nie ab. "Niki schätzt den Cent. Mit ihm kannst du wegen eines Euros Zoff bekommen", erzählt Alexander Dartsinis.

Seines Sohnes wegen macht Nikitas Dartsinis 1983 erstmals Bekanntschaft mit dem VfL. Der spielt damals in der A-Jugend des Klubs. Und der stolze Papa beschließt, die Junioren zu managen. Es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Verbindung zu einem Verein, der für Außenstehende zuweilen anonym und kühl wirkt. Nikitas Dartsinis schließt den VfL Lohbrügge ins Herz. "Früher hat er 60 Stunden in der Woche für den Verein gearbeitet", berichtet Wechsel. Ehrenamtlich.

Nikitas Dartsinis, in dessen Adern, so sagt sein Sohn, "tiefblaues Blut" fließt, übernimmt 1988 den Posten des Ligaobmanns. Er ist nun die graue Eminenz des Vereins. Nicht nur wegen seiner Haarfarbe. Der Grieche investiert nicht nur viel Herzblut, sondern auch eine beträchtliche Summe, um den Klub voranzubringen. Aufhebens macht er darum nie. Erfolge und Rückschläge halten sich in seiner langen Amtszeit die Waage.

Der Klub ist für ihn mehr als eine Herzensangelegenheit. Eine Art zweiter Sohn. Und wer diesen schlecht behandelt, bekommt den ganzen Zorn des liebevoll-zornigen Griechen zu spüren. "Schreib bloß keinen Mist", forderte mich Nikitas Dartsinis am vergangenen Wochenende vor der Partie gegen die TuS Dassendorf auf. Anschließend gab es trotz der 0:2-Niederlage des VfL wieder einen Klaps auf die Schulter.