Neuschönningstedt. Walter Otto ist Ehrenmitglied des Hamburger Tanzsportverbandes. Ohne seinen Einsatz gäbe es die Tanzsportabteilung des TSV Glinde nicht, ja wahrscheinlich nicht einmal den gesamten Verein.
Von der kleinen Verschwörung hinter seinem Rücken bekam Walter Otto nichts mit. Auf Zetteln stimmten die Mitglieder des Hamburger Tanzsportverbandes darüber ab, ob sie ihn zum Ehrenmitglied ernennen sollten. Es gab nur Ja-Stimmen. Als Otto dann aufgerufen wurden, war die Überraschung perfekt. „Mir war das sterbenspeinlich“, gesteht der 72-Jährige, „schließlich mache ich meine ehrenamtliche Tätigkeit um der Arbeit willen und nicht, um mich damit ins rechte Licht zu setzen.“ Doch ohne seinen Einsatz gäbe es die Tanzsportabteilung des TSV Glinde nicht, ja wahrscheinlich nicht einmal den gesamten Verein.
An diesem Tag schloss sich der Kreis, denn unangenehm berührt war Otto auch 60 Jahren zuvor bei seiner ersten Begegnung mit dem Tanzsport. Bei seiner ersten Tanzpartnerin fiel er mit Pauken und Trompeten durch. „Ich war damals zwölf und wir hatten eine Schulleiterin, die schleppte alles, was ihr in die Finger kam, zum Volkstanz“, erinnert er sich. „Hinterher bin ich dann an der Mädchenumkleide vorbeigekommen und hörte, wie eine sagte: ,Der Walter Otto hat ja überhaupt keine Ahnung.’ Das hat mich ein Leben lang verfolgt.“
Jahrelang drückte er sich danach ums Tanzen, war unsicher, das mag vielen ein Trost sein, die sich heutzutage durch die Anfängerkurse im TanzCentrum Glinde mühen. Schließlich besuchte er 1961 dann aber doch einen Kursus. „Am ersten Abend hat mich eine junge Frau zweimal abgeklatscht – die habe ich dann später geheiratet.“ Wobei seine Ehefrau Giesela und er die Geschichte in unterschiedlicher Weise erzählen. „Im Grunde genommen streiten wir da aber nur um den Buchstaben ,s’, der den Unterschied zwischen den Worten „,schon’ und ,noch’ ausmacht“, fügt Walter Otto verschmitzt an. „Ich sage, sie hat mich damals abgeklatscht, weil ich SCHON sehr gut geführt habe, sie sagt, weil ich damals NOCH sehr gut geführt habe.“
Unstrittig aber ist, dass beide gemeinsam als Tanzpaar höchst erfolgreich waren. Sie stiegen bis in die Sonderklasse auf – das ist die höchste Kategorie. Ihre beste Zeit hatten sie Anfang der 90er-Jahre bei den Senioren II, also in der Altersklasse ab 45 Jahren, als sie Hamburger Vize-Meister wurden und sogar an deutschen Meisterschaften teilnahmen.
Walter Ottos Lieblingstanz ist der Slowfox, der als anspruchsvoll gilt, weil er im Viervierteltakt aus einem langsamen und zwei schnellen Schritten besteht, die aber trotzdem möglichst gleichmäßig wirken soll. Harmonisch, ruhig, aber auch fließend und raumgreifend, ein getanztes Understatement, so wird der Slowfox in Lehrbüchern beschrieben.
Attribute, die nicht nur auf den Tänzer Walter Otto passen, sondern auch auf sein Wirken als Leiter der Tanzsportabteilung des TSV Glinde, die er selbst mit aufgebaut hat. Der TSV sei „ein Verein, der in seiner Aussage nie laut, aber trotzdem bestimmend, überzeugend und mit fachlicher Kompetenz“ seine Sache vertrete, schrieb die Vorsitzende des Hamburger Tanzsportverbandes, Heinz Riehn, im Jahr 2005 zum 25-jährigen Jubiläum der Glinder Tanzsportabteilung.
Mit fünf Paaren hatte 1980 alles angefangen. Walter Otto hatte zuvor knapp zehn Jahre in der Tanzsportabteilung der TSG Bergedorf gewirkt, war dort bereits als stellvertretender Abteilungsleiter und Pressewart tätig gewesen. „Als wir dann sagten, wir wollten in Glinde eine Tanzsportabteilung gründen, haben sie uns in Bergedorf maximal ein Jahr Überlebenschancen gegeben“, erinnert er sich, „nach einem Jahr konnten wir aber schon unser 100. Mitglied begrüßen.“ Es folgte ein beispielloser Aufschwung. In ihren besten Zeiten hatte die Abteilung über 600 Mitglieder (heute sind es 500), lag auf Platz 13 der größten deutschen Tanzklubs.
Großen Anteil daran hatte der Bau des TanzCentrums, eine riesige 900-Quadratmeter-Halle, samt Sporthotel, ein Unternehmen, mit dem sich der TSV Glinde völlig übernahm. Er hätte in die Insolvenz gehen müssen, wenn nicht Otto und einige andere Geldgeber in den 90er-Jahren mehrfach sehr hohe Summen investiert und so den Sportkomplex und damit auch den Verein gerettet hätten.
Heutzutage freut sich Otto aber mehr über die vielen kleinen Erfolge im Dasein eines Abteilungsleiters. Zum Beispiel, als er der Trainerin Daniela Sikorra eines Nachmittags eröffnete, sie müsse am Abend eine Zumba-Stunde abhalten („Schau mal im Internet nach, was das ist“) und diese den Kursus dann zu einem der beliebtesten Angebote machte. „Zumba statt Rumba“ mag bei den Jüngeren boomen, für Walter Otto wird der Tanzsport in Glinde jedoch immer eine Welt im Viervierteltakt bleiben.