Hamburg. Der Lockdown beschert den Blumengärtnern im Landgebiet heftige Umsatzeinbußen. Pflanzen werden im großen Stil kompostiert.

Die Gärtnereien in den Vier- und Marschlanden bleiben auf ihren Blumen sitzen. Weil der Fachhandel während des Corona-Lockdowns in Hamburg – im Gegensatz zu anderen, angrenzenden Bundesländern – geschlossen ist, werden die Gärtner ihre Frühlingsblüher nicht los. Doch jetzt benötigen sie Platz in ihren Gewächshäusern, um weitere Jungpflanzen für das Sommergeschäft großzuziehen. Die Folge: Zehntausende Blumen landen auf dem Kompost.

Gerade für die kleineren Gärtnereien sei die Lage mittlerweile existenzbedrohend, betont Andreas Kröger, Präsident des Wirtschaftsverbandes Gartenbau Norddeutschland. „Die Gärtner wollen keine Entschädigung. Sie wollen jetzt einfach nur Blumen und Pflanzen verkaufen“, sagt Kröger.

Verbandschef schreibt Brandbrief an Hamburgs Bürgermeister

Der Verbandschef schrieb bereits zwei Brandbriefe an Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher „als Hilferuf und dringenden Appell“, zuletzt am 15. Januar. Denn Betriebe und Rücklagen zur Altersversorgung seien „heftig bedroht“. Der Bürgermeister solle bitte eine Wiederholung der Massenvernichtung regionaler Frühlingsblüher verhindern. Vor wenigen Wochen waren laut Kröger Millionen unverkaufte Schnittblumen und Topfpflanzen wie Weihnachtssterne entsorgt worden.

Der gartenbauliche Einzelhandel sei „bereit, alles zu tun, um verkaufen zu dürfen“, betont Kröger. Schon im ersten Lockdown hätten die Gärtner im Norden den Umgang mit dem Virus „vorbildlich gehändelt“. Nun könnten die Abstandsmaßnahmen erweitert werden, betont Kröger, der Einkaufswagen oder Kundenzählungen an den Verkaufsstellen als Beispiel nennt.

Gartenbau sei nachweislich kein Infektionsherd – im Gegenteil: „Eine Öffnung würde sogar zur Entspannung des Infektionsdrucks führen“, sagt Kröger, da Gärtnereien ihre Ware „auf großzügigen Flächen und im Außenbereich“ verkaufen. Dort gebe es – anders als oft im allgemeinen Einzelhandel mit Tulpeneimern – kein Gedränge. Sollten die Gärtnereien und Blumengeschäfte nicht schnell wieder öffnen dürfen, wäre der Schaden irreparabel, weil viele der spezialisierten, heimischen Produzenten noch in diesem Jahr für immer schließen müssten.

Bisherige Nothilfeprogramme würden nicht ausreichen

Die Briefe an den Bürgermeister seien mit „verständnisvollen Absagen“ beantwortet worden. Immerhin: Wenn die Infektionszahlen weiter sinken, dürfe der Gartenbau als erstes öffnen, zitiert Kröger aus einem Antwortschreiben.

„Wir stellen fest, dass die bisherigen Nothilfeprogramme nicht ausreichen, um den Verderb einheimischer Pflanzenprodukte adäquat zu entschädigen“, sagt der Präsident des Wirtschaftsverbandes. Michael Meyer (55) und seine Frau Andrea (44), die am Ochsenwerder Elbdeich eine Gärtnerei der dritter Generation betreiben, können nur bestätigen: Nach Rücksprache mit ihrem Steuerberater stellten die Eheleute fest, dass die Nothilfe die Not nicht wirklich lindere.

55.000 Primeln haben die Meyers bereits entsorgt

Die Meyers sind auf den Erlös aus dem Verkauf der Frühblüher angewiesen, um in die nächsten Kulturen investieren zu können. Stattdessen müssen sie ihr Eigenkapital nun aufbrauchen – auch um Platz für die jungen Sommerblumen, Beet- und Balkonpflanzen zu schaffen, die in den kommenden Monaten in den Gewächshäusern (1,2 Hektar unter Glas) wachsen sollen.

„Fast alle unserer 120.000 Primeln verkaufen wir normalerweise an Blume 2000“, sagt Andrea Meyer. Doch die rund 240 Filialen im Norden und in Berlin sind geschlossen und 55.000 Primeln haben die Meyers bereits entsorgt. 60.000 weitere werden die kommenden Tage in den Kompost wandern, wenn die Geschäfte nicht öffnen dürfen. Der Außer-Haus-Verkauf, den viele Gärtner und Floristen anbieten, sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, berichtet Andreas Kröger: „Der Umsatz liegt im Durchschnitt bei nur 15 Prozent.“

Gärtner ärgern sich zudem über Blumenverkäufe in Drogeriemärkten

Besonders verärgert sind die Gärtner nach ihren Beobachtungen darüber, dass in Supermärkten und Discountern nun Blumensortimente aufgestockt werden. „Dabei handelt es sich dann leider um importierte Blumen“, sagt Andrea Meyer, die sich in mehreren Geschäften selbst umgesehen hat. Als den Gipfel der Frechheit bezeichnen die Gärtner den Verkauf von Blumen in Drogeriemärkten von Budnikowsky. Dort seien vor dem Lockdown keine Blumen erhältlich gewesen, erst jetzt, wo die Blumengeschäfte schließen müssen.

Die Meyers hatten bereits im ­vergangenen Frühjahr 80.000 Stiefmütterchen entsorgen müssen. „Das sind jedes mal einige Zehn­tausend Euro weniger Umsatz“, sagt Michael Meyer. Besonders schmerzlich: Am 14. Februar ist Valentinstag, nach Ostern das umsatzstärkste Datum für den Blumenhandel. „Herr Tschentscher hat ja inzwischen signalisiert, dass auch am 15. Februar noch nicht mit Lockerungen zu rechnen ist“, sagt Kröger. Dürften die Geschäfte dagegen Mitte des Monats wieder öffnen, könnten die Meyers wenigstens noch 30.000 Primeln verkaufen, also ein Viertel der Gesamtmenge.

Die Pflanzen wurden in den Gewächshäusern viereinhalb Monate lang gepflegt und aufgezogen. Das Geschäft mit den Frühjahrsblumen mache rund ein Drittel des Jahresumsatzes aus, berichtet Michael Meyer. „Lange können wir nicht mehr durchhalten“, ergänzt seine Frau. Wenn die Traditionsgärtnerei schließt, sind neben dem Chef drei Angestellte und vier Saisonkräfte ohne Arbeit.