Lohbrügge. Menschen mit kleinem Geldbeutel können werktags zwischen 8 und 15 Uhr eine günstige Mahlzeit bekommen. Das ist die Voraussetzung.
Mit großem Messer schneidet Manuela den Hokkaido in kleine Stücke: Am Sonnabend soll es Kürbissuppe geben, erzählt die Frau, die früher Bekleidungsschneiderin war. Ihre Jacken und Hosen sind nun Suppen, Broten und – wie am Dienstag – Currywurst – gewichen: „Stulle Plus“ heißt der neue Imbiss an der Sanmannreihe 42.
Ja, genau hier, wo sich früher zig Nachbarn im Lohbrügger Treff zum Fußballgucken und Darten trafen, ist jetzt ein Bistro entstanden, das Menschen mit kleinem Einkommen willkommen heißt, ihnen zu günstigen Preisen ein Frühstück und ein Mittagessen anbietet. Geöffnet ist werktags zwischen 8 und 15 Uhr. Wer neugierig ist, kommt auch gern am Tag der offenen Tür vorbei: Sonnabend, 23. April, zwischen 11 und 16 Uhr.
„Stulle Plus“: Frank Drescher bekocht in Lohbrügge Bedürftige
Nagelneu sind Herd, Fritteuse und der Kombi-Dämpfer: Da gibt es die Ofenkartoffel mit Champignons und Putenbrust für 3,50 Euro oder die Spaghetti mit Tomaten-Pesto für bloß 2,50 Euro. „Wenn wir gut kalkulieren, können wir sicher auch mal Roastbeef anbieten“, meint Frank Drescher.
Der gebürtige Kieler hat den Koch-Beruf immerhin in einem österreichischen Fünf-Sterne-Hotel gelernt. Aber nicht verwöhnte Gourmets will er fortan bekochen, sondern Senioren mit schmalem Geldbeutel, Arbeitslose, Alleinerziehende und Studenten – all jene, die nachweisen können, dass ihr Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze von 1252 Euro liegt (mit zwei Kindern sind schon 1869 Euro netto erlaubt). Sie bekommen eine Kundenkarte für „Stulle Plus“ und können ebenso in einem Sozialkaufhaus oder günstiges Tierfutter bei der SBB Kompetenz GmbH kaufen.
Frank Drescher beschäftigt Langzeitarbeitslose
Das Unternehmen der Stiftung Berufliche Bildung betreibt den Imbiss in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter – und darf deshalb auch keine Gewinne machen. Denn in erster Linie geht es darum, Langzeitarbeitslose in Beschäftigung zu bringen. „Wir haben 20 sogenannte Arbeitsgelegenheiten. Und 17 Plätze sind schon belegt, vorwiegend von leicht psychisch Belasteten“, sagt Anleiter Frank Drescher, der hofft, bald auch syrische, afghanische, türkische und russische Rezepte zu bekommen.
Aus der Türkei etwa stammt Engin, der früher Rezeptionist in einem Hotel war. In einer Krankenhausverwaltung hat Jürgen (64) gearbeitet, bevor er den Job verlor. Auch Teilnehmerin Teresa ist nicht unerfahren, hat vor ihrer Krankheit im Lohbrügger Hof serviert: „Ich bin so froh, wieder Arbeit in der Nachbarschaft gefunden zu haben“, sagt die Lohbrüggerin. Ihr geht es ähnlich wie dem Fahrer, der bestellte Stullen und Mittagsportionen sogar im Umkreis von drei Kilometern ausfährt – per Fahrrad. Die Lebensläufe sind eben bunt: „Meine Lehre als Konditor habe ich damals abgebrochen, danach Trockenbau gemacht und zuletzt Kunststoff-Spritzguss.“
Auch ein Nachmittagscafé bis 18 Uhr ist geplant
Manche arbeiten nun 15 Stunden pro Woche, anderen schaffen 30. „Und alle freuen sich jetzt auf Gäste. Wenn wir etwas bekannter sind, wollen wir vielleicht auch ein Nachmittagscafé anbieten“, überlegt Frank Drescher, der dann bis 18 Uhr öffnen will. Ideen gibt es reichlich, doch erst einmal wird diese Woche die Holsten-Werbung abmontiert (Alkoholausschank ist nicht erlaubt), auch das Schild vom „Lohbrügger Treff“ verschwindet. Zudem sollen drei Tische vor der Tür zum Verweilen einladen, ebenso wie die 18 Plätze im Gastraum.
Derzeit wird das Essen noch von der SBB an der Wendenstraße geliefert, auch die Fischbrötchen und belegten Stullen für 1,20 Euro. „Aber ab Mai wollen wir hier zwei bis drei Gänge selbst zubereiten, dazu Vorspeisen und Desserts anbieten. Zudem jeden Tag einen Blechkuchen“, sagt Drescher, der weiß, dass seine Leute viel können – auch Schürzen bügeln, Salat waschen, spülen und Preislisten am Computer erstellen. Im Übrigen werden sie auch zweimal wöchentlich von einer Sozialpädagogin betreut und beraten.