Hamburg. Zum 50. Jubiläum könnte es ein allerletztes Glockenläuten geben. Bis Mai 2022 muss die Kirchengemeinde eine Entscheidung treffen
So ist das in Corona-Zeiten, wenn viele Sätze mit „eigentlich“ beginnen: Denn eigentlich hätten die 2500 Mitglieder der Auferstehungsgemeinde schon Ostern 2020 eine Festwoche zum 50-jährigen Bestehen ihrer Kirche am Kurt-Adams-Platz feiern wollen. „Jetzt wird es nur ein Tag, aber wir sind trotzdem noch im Zeitplan, denn die Kirche wurde am 4. Oktober 1970 eingeweiht“, sagt Pastor Jonas Goebel.
Der 32-Jährige lädt für Sonntag, 8. August, zur Jubiläumsfeier ein: Um 11 Uhr beginnt ein Festgottesdienst mit Probst Matthias Bohl. Anschließend folgen Kinderspiele, Theater, ein kleines Orgelkonzert und um 17 Uhr der Auftritt des Shanty-Chors ,Windrose’. Auch geplant ist eine Ausstellung mit der Festschrift und alten Bildern, die das Typische zeigen: die zeltähnliche Architektur, die dem Johannes-Evangelium „Und das Wort zeltete unter uns“ folgt.
Glockenturm ist "Sorgenkind" der Auferstehungsgemeinde
Darauf ist auch der Glockenturm zu sehen, das „Sorgenkind“ der Gemeinde. Denn Statiker haben sich den Turm angeschaut, der längst eingezäunt ist, weil Betonbrocken herunterfallen. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter einst viel Mühe mit dem 36 Meter hohen „Zeigefinger“ (so nannten ihn anfangs die Lohbrügger), dessen Rohbau am 18. November 1968 fertig wurde: Wegen des Frostes musste das Wasser zum Betonmischen angewärmt werden, damit pausenlos geschüttet werden konnte. In der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen heißt es: „Zwei Hausmeister aus der ehemaligen Sowjetunion wissen mit der vorhandenen Baustruktur umzugehen.“
Nur das Graffiti schützt noch die Oberfläche
„Er wurde einfach schlecht gebaut. Aber das Graffiti vor 20 Jahren hat ihm noch das Leben verlängert, weil die Farbe die Oberfläche verschlossen hat“, erfuhr der Pastor von der Gutachterin. Die Motive folgen übrigens der Schöpfungsgeschichte: „Macht Euch die Welt untertan“ ist als Auftrag für Frieden und Gerechtigkeit zu verstehen.
Was tun? Eine Vollsanierung würde 1,2 Millionen Euro kosten, ein Abriss würde immerhin mit 180.000 Euro zu Buche schlagen – „und dafür müsste auch erst der Denkmalschutz aufgehoben werden“, so Jonas Goebel. Bis Mai 2022 muss die Kirchengemeinde nun eine Entscheidung treffen, denn im Herbst 2022 erlischt die Statikgenehmigung. „Im Moment darf nur eine von drei Glocken läuten. Und die wird auch zum Jubiläumsfest das vorerst letzte Mal zu hören sein“, kündigt der Pastor an. Schwingungen müssen vermieden werden. Die größte Glocke übrigens, gegossen von den Gebrüdern Bachert in Karlsruhe, wiegt 535 Kilogramm.
Gelände der alten Stock’schen Ziegelei
Schon seit jeher haben Geldsorgen die Lohbrügger Christen geplagt – obwohl bei der Grundsteinlegung der Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1968 eingemauert worden war. Paul Stock hatte das Gelände der alten Stock’schen Ziegelei an die Siedlungsbaugesellschaft Neue Heimat verkauft. Von der kaufte die benachbarte Erlöserkirchengemeinde die Fläche in Hanglage für 174.350 Mark. Schließlich sollten die 20.000 Menschen in Lohbrügge-Nord eine „geordnete kirchliche Betreuung“ erhalten – samt Kirche, Gemeindehaus und zwei Pastoraten. Aus vier Entwürfen wurde der von Hubert Wolfger ausgewählt, der 1,9 Millionen DM veranschlagte. Der Architekt aus Volksdorf bekam auch gleich die Bauleitung übertragen.
Mieter gesucht für das Untergeschoss
Knapp 30 Jahre später, 1999, wollte Pastor Johannes Schröder die Kirche an eine Stiftung verkaufen: Die 1600 Quadratmeter großen Räume seien 2,4 Millionen Mark wert, schätzte er seinerzeit. Letztlich wurden viele verschiedene Mieter gefunden, auch für den großen Saal. Derzeit wird wieder ein neuer Mieter gesucht, so Goebel: „Der Seniorentreff wechselte ins barrierefreie Erdgeschoss. Jetzt sind im Untergeschoss 100 Quadratmeter frei samt Küche und Terrasse. Wer einen Treffpunkt braucht, kann sich gern im Gemeindebüro melden.“
Unterdessen bleibt das Gemeindeleben lebendig: Mit der neuen Licht- und Tontechnik will Goebel, der im April 2019 nach Lohbrügge kam, einen „Relax“- und einen „Whiskey-Gottesdienst“ anbieten, auch gibt es wieder das „Predigt-Bier“ in der Lola, bereitet eine rumänische Künstlerin eine Ausstellung vor. Ende Oktober ist zudem die Aufführung des Musiktheaters „Ziemlich beste Kirche“ geplant, die Proben laufen auf Hochtouren.