Lohbrügge. Im größten Binnenland-Feuchtgebiet der Erde wüten Brände. Wissenschaftler schlagen Alarm. Viele Tiere schon ums Leben gekommen.
Riesenstörche, Tukane und farbenfroh Aras: Die schönsten Vögel fliegen derzeit orientierungslos umher. „Und zahlreiche Pumas und Jaguare sind schon verkohlt. Es ist einfach nur traurig“, sagt Prof. Dr. Walter Leal. Der gebürtige Brasilianer leitet an der Lohbrügger Hochschule das Forschungszentrum für Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement. Seit Wochen schaut der 55-Jährige beschämt auf sein Heimatland: Durch Brandstiftung breiten sich verheerende Feuer aus, die allein in dem Feuchtgebiet Pantanal bis zu zwölf Prozent der Vegetation zerstört haben – eine Katastrophe für das einzigartige, artenreiche Biotop, das im Jahr 2000 von der Unesco zum Welterbe erklärt worden war.
Die jüngste Trockenperiode hat das Drama verschärft, aber die Schuld trägt – wie so oft – der Mensch, so Prof. Leal: „Die Bauern werden von der Regierung zur Landgewinnung ermuntert. Niemand kontrolliert, wenn die Leute einfach Flächen abbrennen, um Zuckerrohr und Soja anzubauen oder Viehzucht zu betreiben. Sie werden von Präsident Jair Bolsonaro sogar noch dazu ermuntert.“ Zwar gebe es gesetzliche Verbote, „aber die Strafen sind zu niedrig. Und niemand wird erwischt. Zudem hat der Präsident auch noch Personal und das Budget der Umweltbehörde kräftig eingekürzt“, ärgert sich der Wissenschaftler, der jetzt einen weltweiten Aufruf zum Schutz des 230.000 Quadratkilometer großen Gebietes gestartet hat, das in Teilen auch zu Bolivien und Paraguay gehört.
Notstand in Brasilien ausgerufen: Löschflugzeuge fehlen
Für den Bundesstaat Mato Grosso hat Brasilien im September den Notstand ausgerufen. „Es gibt kaum Hubschrauber oder Flugzeuge, kein Material. Die Menschen sind machtlos und löschen mit Wassereimern und Besen“, weiß der Professor, dessen Empörung sich bereits 1170 Wissenschaftler aus 123 Ländern angeschlossen haben: „Die Welt darf sich nicht nur für die Brände in Kalifornien interessieren. Auch das Pantanal braucht Hilfe, um die Feuer zu kontrollieren und die Tiere zu schützen.“
Nicht zuletzt brauche es alternative Einkünfte für die Menschen und vor allem einen intensiven Wiederaufbau, so Leal: „Jedes Schulkind weiß, was für Biomassen das Pantanal und der Regenwald im Amazonas bieten. Wir müssen sie aber besser schützen, bevor die kritische Menge erreicht ist, sich die Gebiete nicht mehr erholen können.“
ZDF wolle über die Forderungen berichten
Der Aufruf der Wissenschaftler möge weltweit Beachtung finden: Die Unterschriften gehen an die Europäische Kommission in Brüssel, das Umwelt- und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Auch das ZDF wolle über die Forderungen berichten, so der Professor: „Es braucht Zuschüsse. Brasilien muss finanzielle Verbündete finden, könnte erneut Norwegen und Deutschland fragen. Und jemand muss diese Hilfen koordinieren, einen Plan für den Naturschutz und den Wiederaufbau der Infrastruktur entwickeln.“
Genau das würde der 55-Jährige, der an der Küste von Salvador aufwuchs, tatsächlich sehr gern selber machen: „Ich wäre bereit, denn es ist erforderlich.“