Hamburg. Auch Mini und der dicke Henry sollen kräftige Vögel werden. Ihre Eltern konnten nicht fünf hungrige Schnäbel stopfen.
Nur ein einziges Mal hat es Jürgen Pelch in seinen 45 Jahren als ehrenamtlicher Storchenbetreuer vom Naturschutzbund (Nabu) bisher erlebt, dass in einem Nest seiner gefiederten Schützlinge gleich fünf Küken geschlüpft sind. Durchschnittlich sind es zwei bis drei Küken, selten Vierlinge. Doch dieses Jahr gab es am Kirchwerder Hausdeich wieder Fünflinge.
Dort brüten bei Familie Lütten die Störche Rudi und Regina. Sie zählt zu den zwölf Vögeln, die der Nabu in den vergangenen beiden Jahren mit einem Sender ausgestattet hat. Und nach ihrem Winter in Spanien folgte nun der große Bruterfolg in Kirchwerder.
Storch Mini hätte wohl keinen weiteren Tag mehr überlebt
Mithilfe einer Kamera verfolgt die Familie die Aufzucht der Küken im Nest. Und stellte so schnell fest, das fünf Küken offenbar doch zu viele waren: Drei Jungstörche schnappten ihren beiden Geschwistern das von den beiden Elterntieren herangeflogene Futter buchstäblich vor dem Schnabel weg. Und so entschied sich Jürgen Pelch dazu, die beiden kleinsten Störche aus dem Nest zu nehmen und bei sich zu Hause aufzupäppeln.
Die richtige Entscheidung: Der kleine Mini, wie ihn Familie Lütten taufte, war schon stark geschwächt. „Er hätte wohl keinen weiteren Tag mehr überlebt“, vermutet Storchenvater Pelch. Und auch Bruder Henry war seinen Geschwistern um einiges in der Größe hinterher, sodass auch er nun bei Familie Pelch ein gemütliches Nest bekommen hat.
In einem Metallbottich liegen die beiden Jungen weich auf Stroh
In einem Metallbottich sind die beiden kleinen Störche weich auf Stroh gebettet. Abends wärmt eine Rotlichtlampe und tagsüber – sofern sie mal herauskommt – die Sonne. Und sobald diese am Morgen aufgeht, wollen auch die kleinen Schnäblein gestopft werden. Und zwar alle zwei Stunden bis zum Anbruch der Dunkelheit. Und dabei wird Jürgen Pelch tatkräftig von Ehefrau Gerda und Tochter Stephanie unterstützt. Die 43-Jährige ist durch das Engagement ihres Vaters damit aufgewachsen, dass regelmäßig mal ein Storch bei der Familie am Süderquerweg aufgepäppelt wird. Doch so ganz kleine Gäste sind dann doch eher selten: Umso mehr freut es sie, wenn sie zum Füttern an den Bottich herantritt und dann mit einem kräftigen Klappern begrüßt wird.
Besonders Henry hat schon kräftig an Gewicht zugelegt
Hering, Schnecken oder Seeteufel stehen auf der Speisekarte. Und auch schon mal Rinderbraten. Besonders Henry hat schon mächtig zugelegt und ist bereits zum „dicken Henry“ geworden. „Er hat sich bestimmt verdreifacht“, sagt Gerda Pelch. Mittlerweile wiegt er 800 Gramm. Jürgen Pelch schätzt, dass er in etwa zwei Wochen kräftig genug sein wird, um ihn zurück zu seinen Artgenossen ins Nest zu setzen.
Der kleine Mini muss hingegen noch ein bisschen zulegen, er bringt gerade erst 300 Gramm auf die Waage. Doch auch er soll so schnell wie möglich zurück ins Nest: „Schließlich soll er sich nicht zu sehr an die Menschen gewöhnen“, sagt Jürgen Pelch.
Nasskühles Wetter könnte der Brut zu schaffen machen
Insgesamt konnte Jürgen Pelch in diesem Jahr 39 Brutpaare zählen. Drei der Hamburger Weißstorchpaare haben ihr Nest in Harburg, alle anderen sind in den Vier- und Marschlanden verortet. Die große Anzahl an Paaren ist ein sehr guter Start in die Brutsaison und lässt auf viel Nachwuchshoffen. Im vergangenen Jahr hatten 34 Brutpaare 70 Jungstörche in Hamburg großgezogen, das bisherbeste Brutergebnis gab es 2014 mit 73 Jungtieren. „Ich freue mich sehr über die vielen Brutpaare. Vielleicht gibt es 2021 mehr als 70 Jungstörche bei uns. Das wäre natürlich fantastisch“, sagt Jürgen Pelch.
Allerdings könnte das feuchte und vor kühle Wetter den Vögeln und ihrem Nachwuchs noch zu schaffen machen, so Pelch. Das sei auch der Grund, warum viele Altvögel in diesem Jahr erst verspätet aus dem Winterquartier zurückgekehrt seien. Die letzten Rückkehrer – vor allem Tiere, die im südlichen Afrika überwintert haben – trafen erst Mitte April im Nordenein. Viele der sogenannten Ostzieher hingen etwa vier Wochen in der Türkei fest, weil auch dort die Temperaturen sehr kühl waren. Die Thermik habe den Störchen gefehlt,um über die dortige Gebirgskette zufliegen, resümiert Jürgen Pelch.