Kirchwerder. 73-Jährige bietet am Süderquerweg Bücher zum Mitnehmen oder Tauschen an. „Book-Sharing“ boomt weltweit, es wird immer mehr.

Für Margret Eggers haben Bücher etwas Meditatives. „Man taucht so schön weg“, sagt die 73 Jahre alte Vielleserin aus Kirchwerder. Am liebsten sind ihr Romane, die Tiefe haben. Gerade hat sie von Laetitia Colombani „Der Zopf“ gelesen. „Eine berührende Geschichte dreier Frauen, deren Schicksale wie ein Zopf miteinander verwoben sind“, schwärmt sie.

Auf ihrem Couchtisch liegt schon der nächste Wälzer bereit, eine Familiensaga von Hera Lind, am Bett ein Buch mit Kurzgeschichten von Elke Heidenreich. Doch wohin mit all den Büchern, wenn sie erstmal gelesen sind? Als auch das letzte Regal im Haus gefüllt war, kam der Rentnerin die Idee: Ein Tauschschrank muss her.

Eine gelbe Telefonzelle im Urlaub gab den Anstoß

„Im Urlaub hatte ich eine alte gelbe Telefonzelle voller Bücher gesehen, so was schwebte mir vor“, sagt Margret Eggers. Wie gut, dass ihr Bruder Hans-Heinrich noch einen robusten Metallschrank im Keller hatte. Der steht nun, frisch aufgehübscht, direkt an der Straße ihres Grundstücks am Süderquerweg 301. „Margrets Büchertauschschrank“ prangt in schwungvollen Pinselstrichen darauf. Wer ihn öffnet, steht vor vollen Regalen mit einem bunten Mix aus Krimis, Romanen, Lyrik, Ratgebern und Märchen.

„Seit es den Schrank gibt, habe ich viel mehr Kontakte – natürlich mit Sicherheitsabstand“, sagt die Vierländerin lächelnd. „Eine Frau hat mir sogar einen Blumenstrauß gebracht, weil sie kein Buch zum Tausch hatte. Doch ein Buch hineinzustellen ist keine Pflicht, es darf auch nur entnommen werden“. Und davon machen die Vierländer, vorwiegend Frauen, regen Gebrauch. So wurde der Tauschschrank schnell zur echten Bereicherung. Und wenn Margret mal nicht liest, dann ist die Hobby-Gärtnerin auf ihrem Feld hinterm Haus aktiv. Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln sind schon gesetzt. Sie ist stolz darauf noch „Selbstversorgerin“ zu sein. Sogar ein Zitronenbäumchen mit stattlichen Früchten besitzt sie. Und dann sind da ja auch noch Schützen- und Sportverein und ihre Familie, in der selbstverständlich noch Platt gesnackt wird.

Allein in Deutschland gibt es 6516 gelistete Bücherschränke

Margret Eggers ist längst nicht die einzige, die das Bücher teilen für sich entdeckt hat – das „Book-Sharing“ (engl. für Bücher teilen) boomt. Und Corona hat es noch einmal mehr befördert. Denn als Buchläden und Bücherhallen wegen der Pandemie geschlossen bleiben mussten, war es mit dem Stöbern und dem Lese-Nachschub erstmal vorbei.

Da entstanden überall auf der Welt öffentliche Schränke, Boxen oder Regale, gefüllt mit Literatur zum kostenlosen Mitnehmen. Denn Bücher sind ideale Tausch-Objekte – kaum eines wird zweimal gelesen. Statt im häuslichen Regal zu verstauben, landen die gelesenen Exemplare jetzt in den Tauschschränken und gelangen so zu neuen Lesefreundinnen und Freunden. Nach der Lektüre darf das Buch behalten oder zurückgebracht werden. Auch Bücherspenden sind willkommen, denn so bleiben die öffentlichen Bücherschränke stets gefüllt.

Standorte der Bücherschränke sind im Internet zu finden

Die Standorte der Bücherschränke, die so originelle Namen tragen wie „Bücherliesel“ oder „BücherButze“ sind auf einer Karte zu finden: Die Internetseite von „OpenBookCase“ (engl. offener Bücherkasten) listet auf einer digitalen Weltkarte aktuell 7926 Bücherschränke auf und es werden täglich mehr. Spitzenreiter ist dabei Deutschland mit insgesamt 6516 gelisteten Bücherschränken, davon allein 183 in Hamburg. Nachdem auf der Internetseite openbookcase.de/map die Stadt oder Adresse eingeben sind, werden alle öffentlichen Bücherschränke in der Nähe angezeigt. Wer sich auf der Seite als Nutzer anmeldet, kann auch weitere Bücherschränke ergänzen und auch bewerten.