Hamburg. Edith Lütten zog früher im Fernmeldeamt die Strippen. Interessante Zeitungsartikel bewahrt sie auf. Jetzt sucht sie Interessenten.

Edith Lütten aus Kirchwerder-Warwisch hat schon sehr viel erlebt in den vergangenen mehr als neun Jahrzehnten. Vor 92 Jahren, am 31. Oktober 1928, wurde sie in Königsberg, dem jetzigen Kaliningrad, als Edith Haase geboren. Dort arbeitete sie als junge Frau auf dem Fernamt. Den Ausweis hat sie, wie vieles anderes auch, aufgehoben.

Die Flucht aus der Heimat brachte sie später nach Hamburg, sie arbeitete am Fließband der Großbäckerei Ode in Zollenspieker. „Jetzt will ich Klarschiff machen und viele alte Erinnerungsstücke wegwerfen, dann müssen es ­später andere nicht machen“, sagt sie. Beim Sortieren und Aussor­tieren werden viele Erinnerungen wach.

Das „Fräulein vom Amt“ und ihre Sammlung: Edith Lütten öffnet Privatarchiv

Eine Zeitung mit dem Foto des Fräuleins vom Amt, sowie Edith Lüttens Ausweis des Fernmeldeamtes Königsberg.
Eine Zeitung mit dem Foto des Fräuleins vom Amt, sowie Edith Lüttens Ausweis des Fernmeldeamtes Königsberg. © Gabriele Kasdorff

Mit täglichem Schwimmen und Spaziergängen sowie mit ihrem Hobby, dem 3-D-Puzzeln, hält sie sich körperlich und geistig fit. Grad schaut die Seniorin ihre Sammlung alter Zeitungen durch. Von der Sturmflut 1962, dem Tod von Uwe Barschel, Berichte über Helmut Schmidt bis hin zu allem über Prinzessin Diana hat sie Artikel gesammelt.

„Das fand ich immer alles so interessant.“ Und interessant ist vieles auch heute noch. Seit etwa 65 Jahren ist Edith Lütten treue Abonnentin der Bergedorfer Zeitung, die sie täglich liest.

Zeitungsartikel über Helmut Schmidt und Prinzessin Diana

Gern würde Edith Lütten die alten Zeitungen mit Berichten der ereignisreichen Vergangenheit und einiges andere an interessierte Bürger oder Vereine abgeben. Wenn sie so über die Sammlung schaut, werden alte Zeiten wieder lebendig.

Edith Lütten erinnert sich noch gut an die Sturmflut 1962, und zeigt Zeitungsberichte dazu. „Damals habe ich schon einige Jahre mit meinem Mann in dem Haus am Warwischer Hinterdeich gewohnt, in dem ich heute noch lebe.“

Gespenstisch: Altes Reet versperrt Fenster und Türen

Das Zeitungsbild zeigt Helmut Schmidt, die Fotos Sturmflut-Szenen 1962. Edith Lütten erinnert sich an die Flut und das Eingreifen Schmidts.
Das Zeitungsbild zeigt Helmut Schmidt, die Fotos Sturmflut-Szenen 1962. Edith Lütten erinnert sich an die Flut und das Eingreifen Schmidts. © Gabriele Kasdorff

Die große Hamburger Sturmflut am 16./17. Februar 1962 haben die Eheleute in ihrem Haus hautnah erlebt: „Das Wasser kam ins Haus, wir hatten hier einen schwebenden Teppich, der schwamm auf dem Elbewasser.“ Richtig beängstigend sei jedoch etwas anderes gewesen. Das große Reetdach des Hauses hatten die Eheleute kurz zuvor neu decken lassen, das alte Reet war auf dem Grundstück abgelegt.

„Nun schwamm das ganze Reet um unser Haus herum, verdunkelte die Zimmer und wir konnten erst einmal nicht das Haus verlassen, das Reet versperrte Fenster und Türen“, erinnert sich Edith Lütten. Bedauernd fügt sie hinzu: „Wir konnten kaum etwas retten, das ging damals alles so schnell. Ich kann mich gut erinnern, als die Sirenen heulten und der Wind mit 160 Stundenkilometern stürmte.“

Nach der Flut hält sie die zerstörten Häuser in Fotos fest

Wenige Tage später ging sie auf das Spülfeld und sammelte ganz pragmatisch Koks zum Heizen, wie viele andere auch. Außerdem nahm sie ihre Kamerabox, um Aufnahmen von den umgekippten Häuschen im Stelzendorf in Ochsenwerder zu machen. Edith Lütten: „Das sah damals furchtbar aus. Alle Häuser waren umgekippt und zerstört.“

Damals hat Edith Lütten die Kamera häufig in die Hand genommen und auch schöne Ereignisse mit Freude fotografiert. Liebevoll denkt sie an ihren Mann zurück, der 2010 im Alter von 91 Jahren starb. „Als ich ihn das erste Mal sah, habe ich mich sofort verliebt. Das war ein toller Mann.“