Kirchwerder/Reinbek. Ute Lendner und Holger Benn sind verheiratet, haben aber zwei getrennte Wohnungen. Funktioniert solch ein Lebensmodell?
Als Holger Benn kürzlich im Supermarkt war, um Sekundenkleber zu kaufen, da packte der 63-Jährige gleich zwei Tuben in den Einkaufskorb. Und auch vom leckeren Portwein im Angebot landete schließlich die doppelte Menge auf dem Kassenband. Denn Holger Benn denkt in so einer Situation immer gleich an zwei Haushalte: An seine 70 Quadratmeter große Wohnung am Kirchwerder Hausdeich, wo er seit 2001 zur Miete lebt, sowie an die 60 Quadratmeter große Eigentumswohnung seiner Ehefrau Ute Lendner (58) in Reinbek.
Das Paar hat sich vor fünf Jahren beim Minigolf in Lohbrügge kennengelernt und sich im vergangenem Dezember im Bergedorfer Standesamt das Ja-Wort gegeben. Ihre beiden Wohnungen haben sie trotz Beziehung und Trauschein aber behalten. „Und das hat ganz bestimmt nichts mit mangelnder Liebe zu tun“ betont Holger Benn.
Lebensmodell: Ehepaar lebt in getrennten Wohnungen
Dass sie so leben wollen, darin war sich das Paar direkt einig. Schließlich hätten beide bereits vor ihrer Beziehung Erfahrungen gemacht im Leben, auch eine gescheiterte Ehe und Beziehungen sind darunter. Beide schätzen ihr jeweiliges Umfeld und die eigenen vier Wände. Und so einigte man sich eben darauf, beide Wohnungen zu behalten. „Man weiß eben nie was kommt im Leben“, erklärt Ute Lendner. Und außerdem: „Woher soll denn die Sehnsucht kommen, wenn man sich jeden Tag sieht?“, fragt Holger Benn. So sieht sich das Paar im Durchschnitt vier bis fünf Tage die Woche.
„Living Apart Together“, kurz LAT, nennt sich dieses Lebensmodell, das das gemeinsame Leben trotz getrennter Wohnungen beschreibt. Prominenter Vertreter in Hamburg war Jan Fedder. Der im Dezember 2019 gestorbene Volksschauspieler hatte nie hinterm Berg damit gehalten, dass er und seine Ehefrau Marion in zwei getrennten Wohnungen lebten.
Prominentes Beispiel: Jan Fedder und seine Ehefrau
Und so ziehen auch Ute Lendner und Holger Benn den Schauspieler gern als Beispiel heran, wenn sie anderen Menschen ihre Art zu leben erklären. Viele würden dann erstmal die Nase rümpfen. Aber wenn sie darüber nachdenken, erkennen sie dann auch die Vorteile daran, erzählt Ute Lendner.
Für die 58-Jährige und ihren fünf Jahre älteren Mann bedeutet es ein Stück Freiheit und sich eben nicht über alltägliche Dinge wie das vergessene Zudrehen einer Zahnpastatube oder das Fernsehprogramm streiten zu müssen: Denn während beide gern Filme mit Jan Feder sehen und gemeinsam Sport wie Biathlon gucken, unterscheidet sich beim restlichen Programm dann häufig doch der Geschmack.
Jeder schmeißt seinen Haushalt und erledigt Papiere
Während Ute Lendner Krimis und Krankenhausserien guckt, schaltet Holger Benn bei Weltraum-Dokus oder Science Fiction ein. Das machen sie dann eben allein und in aller Ruhe. Und dann kann Holger Benn auch seine Rockmusik von Led Zeppelin oder Deep Purple mal richtig aufdrehen, während seine Frau eher ruhigere Klänge aus Italien schätzt.
Es ist aber nicht so, dass jeder seinen Koffer packt, um bei dem anderen zu übernachten, habe man schon Kleidungsstücke und Kulturbeutel fest bei dem Partner deponiert. Doch jeder schmeißt seinen Haushalt und erledigt seine Papiere. „Das hilft auch, um geistig fit zu bleiben“, ist Holger Benn überzeugt.