Hamburg. Die Hamburger Staatsbibliothek zeigt eine neue Ausstellung. Bernd Reinert hat lokale Details im Borchert-Zimmer entdeckt.
Die Hamburger Staatsbibliothek zeigt seit Kurzem ein besonderes Zimmer in dem Ausstellungsglaskasten „Borchert-Box“. Es dreht sich um den Schriftsteller Wolfgang Borchert (1921--1947) – und hat einiges mit Vierlanden zu tun. Bernd Reinert (69) sind Details aufgefallen, die bisher nicht wie 24 andere Dinge per Mausklick auf das Foto des Zimmers im Internet erläutert werden: Intarsienmöbel und eine Schatulle, die Geschichte(n) erzählen.
Bernd Reinert lebt in Kirchwerder und geht den Dingen schon immer gern auf den Grund. Der frühere Gymnasiallehrer war unter anderem auch Staatsrat der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung und schreibt einen hochinteressanten Bergedorf-Blog – historische Betrachtungen mit Bezug auf Bergedorf, die sich auch aus den Quellen der Staats- und Universitätsbibliothek speisen.
Familiengeschichte von Wolfgang Borchert reicht in die Vierlande zurück
Die Familiengeschichte von Wolfgang Borchert, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 100. Mal jährt, reicht in die Vierlande zurück. Er selbst wurde in Eppendorf geboren. Doch Borcherts Mutter Hertha, geborene Salchow, stammt aus Altengamme. Sein Vater, Fritz Borchert, und der Großvater mütterlicherseits, Carl Salchow, lehrten zumindest zeitweilig an der Kirchenschule in Kirchwerder.
Und so dürfte das „S“, das sich mittig auf der Rückenlehne des vor dem Schreibtisch stehenden Stuhles im Borchert-Zimmer findet, auf Salchow hinweisen -- allerdings auf der Stuhlseite, die der Internetbesucher des Fotos nicht sehen kann. Reinert befragte Rainer Burmester, Intarsientischler aus Kirchwerder, dazu. Der schätzt den Stuhl mit der undatierten Intarsienarbeit älter als 100 Jahre ein, also vor der Geburt von Wolfgang Borchert entstanden. Das Motiv mit Füllhörnern, Vogel und Ranken sei durchaus traditionell. Der andere Stuhl, rechts an der Wand stehend, zeigt die Schriftzüge „Hennig Albers“ und „Anno 1854“. Albers war und ist ein gängiger Name in Vierlanden. Ob und wie er in Borcherts Familiengeschichte gehört, ist unklar.
Borcherts Werke wurden teilweise auf einem Stuhl aus den Vierlanden verfasst
Hertha Borchert hatte 1976 den Nachlass ihrer Sohnes der Staatsbibliothek vermacht. Das Borchert-Zimmer war bisher im Altbau untergebracht, bevor es nun ins Hauptgebäude der Bibliothek wechselte. „Wir haben versucht, alles aufzunehmen, was wir haben“, sagt Kurator Dr. Konstantin Ulmer zum verwendeten Mobiliar. Er vermutet, dass ehedem in dem Zimmer auch ein Bett gestanden hat, das er auch gern gezeigt hätte. Denn Wolfgang Borchert, der schon mit 26 Jahren starb, hat an seinen berühmten Werken („Draußen vor der Tür“) auch bettlägerig noch gearbeitet.
„Es ist schon eine tolle Vorstellung, dass Wolfgang Borcherts Werke zumindest teilweise auf einem Stuhl aus den Vierlanden verfasst wurden. Als Vierländer freut man sich, dass seine Mutter den Nachlass mit seinen Möbeln, seiner Bibliothek und vielen Gegenständen der Staats- und Universitätsbibliothek übergeben hat, die daraus eine wunderbare Ausstellung gemacht hat“, sagt Bernd Reinert. Für Literaturwissenschaftler und Borchert-Forscher sei aber noch wichtiger, dass sein Nachlass nun vollständig erschlossen und online zugänglich ist.
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Reinert nutzte die Möglichkeiten und entdeckte online auf dem Foto von Borcherts Zimmer ein Intarsienkästchen, das versteckt auf dem Rollwagen links im Bild platziert ist. Rainer Burmester ist sicher: „Das ist eindeutig die Handschrift von Julius Puttfarken.“ Puttfarken, der Großvater des Künstlers und Heimatforschers Werner Schröder, arbeitete in Kirchwerder als Intarsientischler.
Das Borchert-Zimmer kann auch online entdeckt werden
Aus dem Bestandsverzeichnis der Staatsbibliothek erfuhr Reinert, dass die Holzschatulle im Deckel die Intarsienarbeit mit dem Schriftzug „Fritz Borchert – Herta geb. Salchow“ trägt, oval mit Blütenmotiv umrankt. Dazu sind weitere Blumenmotive und Intarsienbänder zu sehen sowie die Datumsangabe auf der Vorderseite „Pfingsten 1939“. Die Schatulle war offensichtlich ein Geschenk zur Silberhochzeit der Eltern von Wolfgang Borchert. Am 29. Mai 1914 hatten Hertha und Fritz Borchert in der St.-Severini-Kirche zu Kirchwerder geheiratet. Im inneren Deckel des Kästchens sind zwei von Wolfgang Borchert gebastelte/gemalte Blumen eingeklebt. Die Schreibweise „Herta“ ist übrigens kein Schreibfehler. Die Schriftstellerin, die zumeist op Platt schrieb, nutzte ihren Vornamen auch ohne „h“.
„Von wem das Geschenk stammt, ist mir unbekannt – aber es belegt, dass die Verbindung mit und/oder die Bindung an Vierlanden und seine Handwerkskunst fortdauerte, obwohl die Familie Borchert seit Jahrzehnten in Eppendorf lebte“, sagt Bernd Reinert. Das werde auch aus einem Bild deutlich, das sich im Nachlass Wolfgang Borcherts befindet. Das Foto zeigt Wolfgang Borchert 1933 mit anderen Kindern und einer Ziege in Curslack neben einem Fachwerkhaus
Das Borchert-Zimmer online: https://borchert.sub.uni-hamburg.de/borcherts-zimmer/Der Bergedorf-Blog von Bernd Reinert: blogs.sub.uni-hamburg.de/bergedorf/