Kirchwerder. Auf dem Kunstrasen in Kirchwerder ist der SC Vier- und Marschlande noch ungeschlagen. Warum er trotzdem nur noch einmal dort spielt
Es ist kalt, doch der Wind, der leise über den Elbdeich in Kirchwerder streicht, trägt schon den Hauch des Frühlings mit sich. Beim Sportplatz am Zollenspieker angekommen, mischt sich der Geruch von Gegrilltem hinein. Im Radio bejubelt ein Bundesliga-Reporter ein Tor des VfL Wolfsburg. Auf dem Spielfeld mühen sich die Bezirksliga-Fußballer des SC Vier- und Marschlande ab. Sie sind in dieser Saison am „Spieker“ noch ungeschlagen und werden auch heute nicht verlieren. Auf der Bank neben dem Platz ist ein kleiner Junge über seiner Portion Pommes frites eingeschlafen. Behutsam hebt ihn seine Mutter hoch. Für heute reicht es mit Fußball und frischer Luft.
Das sind Impressionen vom Fußballplatz am Zollenspieker, einer der ungewöhnlichsten Sportanlagen nicht nur im Bergedorfer Raum, sondern in ganz Hamburg. 92 Meter lang, 55 Meter breit führt hier jede Flanke, jeder Einwurf und jeder Befreiungsschlag aus der Abwehr zu einer Torchance. „Das ist schon eine Lotterie“, gibt SCVM-Trainer Thorsten Beyer zu. Aber eine, die seine Mannschaft in den vergangenen Wochen perfekt beherrscht hat.
Erste Herren des SC Vier- und Marschlande kehrt im April nach Fünfhausen zurück
Trotzdem soll das Heimspiel am 25. März gegen den SV Hamwarde (18 Uhr) das vorerst letzte für die „Erste“ auf der Kultanlage sein. Ab April kehrt die Beyer-Elf zurück auf den Naturrasen in Fünfhausen. „Mittlerweile gibt es sehr viel Kunstrasen-Teams, und die stellen sich alle auf den kleinen Platz am Zollenspieker ein. Da ist unser Vorteil nicht mehr sehr groß“, ist Beyer überzeugt. „Barsbüttel zum Beispiel hat Spezialisten für weite Einwürfe.“
Für den Verein ist der Zollenspieker lebensnotwendig. „Mit allen Spielgemeinschaften haben wir rund 40 Mannschaften“, führt Geschäftsführer Thomas Niese aus. „25 davon nutzen den Platz am Zollenspieker.“ Das heutige Kunstrasen-Viereck war früher ein Grandplatz, auf dem auch die späteren Bundesliga-Profis Martin Harnik und Max Kruse das Kicken gelernt haben. Ihre Trikots hängen noch heute im Vereinsheim.
Als sich alles drängte: Pokalspiel vor 1200 Zuschauern
Die Verhältnisse damals waren schwierig. Hatte es stark geregnet, verwandelte sich der Platz gerne mal in eine Seenlandschaft. Doch es gab auch viele Kult-Momente. „Ich erinnere mich an ein Pokal-Halbfinale gegen Vorwärts-Wacker Billstedt vor 1200 Zuschauern“, erzählt Thorsten Beyer. „Ich stand damals im Bierring und habe Getränke verkauft. Es war unglaublich, was da los war.“
2007 erfolgte der Umbau zum Kunstrasen. „Für die Finanzierung hatte ich wochenlang eine Patenschafts-aktion vorbereitet, bei der 50.000 Euro zusammengekommen sind“, erzählt der damalige Fußball-Abteilungsleiter Siegfried Niemand stolz. 100 Euro kostete zum Beispiel die Patenschaft für einen Elfmeterpunkt. Das Geld aus den Transfereinnahmen von Harnik und Kruse floss in den Umbau eines Tennisplatzes an der Stirnseite zu einem zweiten, kleineren Fußballfeld.
Kunstrasen hat jetzt einen größeren Abstand zur Tribüne
Kürzlich wurde der Kunstrasen erneuert und das Spielfeld dabei um zwei Meter versetzt. Denn nach den neuesten Vorschriften muss die Tribüne nun einen Mindestabstand von vier Metern zur Grundlinie haben. Stürmer, die nicht rechtzeitig abstoppen können, krachen nun also nicht mehr gleich in die Zuschauer. Sicher ein Fortschritt. Kurios dabei: Die Mannschaftsbänke wurde nicht versetzt. So sitzt das eine Team nun auf Strafraumhöhe, das andere auf Höhe der Mittellinie. Es gibt eben nichts, was es nicht gibt auf dem Fußballplatz am Zollenspieker.