Bergedorf. Lange moderierte sie im ZDF – und wurde immer wieder mit Sexismus konfrontiert. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen.

Ihre ruhige Stimme begleitete mehrere Generationen auf dem Fernsehbildschirm: Mehr als 30 Jahre moderierte Petra Gerster im ZDF. 1989 fing sie dort an, übernahm zunächst die Moderation des feministisch geprägten Magazins ML Mona Lisa. Etwa zehn Jahre später wechselte Gerster 1998 in die Rolle der Nachrichtensprecherin: Bis zu ihrem Ruhestand 2021 moderierte die Journalistin die ZDF-heute-Nachrichten. Für ihr Lebenswerk und ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Petra Gerster schrieb zudem acht Bücher – meist zusammen mit ihrem Mann Christian Nürnberger. Die 68-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Mainz. Am 4. Mai tritt sie um 19 Uhr im Körberhaus in Bergedorf bei der Gesprächsreihe AltersBilder auf. Restkarten sind ab Montag, 1. Mai um 9 Uhr unter koerber-stiftung.de verfügbar.

Frau Gerster, Sie werden im Körberhaus insbesondere über Frauen in den Medien sprechen. Welche Rolle spielte Altersdiskriminierung während Ihrer Zeit als Moderatorin?

Petra Gerster: Bis vor etwa zehn Jahren verschwanden Frauen ab einem gewissen Alter – meist um die fünfzig – nach und nach von den Bildschirmen. Männer hingegen blieben bis zur Rente sichtbar, moderierten auch mit Falten und Glatze. Der Moderator des legendären ARD-Frühschoppens, Werner Höfer, hörte erst mit 74 Jahren auf. Ältere Frauen waren im Fernsehen bis vor Kurzem noch undenkbar – sie wurden gebeten, den Platz freizumachen oder gingen sogar von sich aus.

Waren auch Sie persönlich in ihrem Job damit konfrontiert?

So etwas wurde einem nie ins Gesicht gesagt, vermittelte sich aber deutlich. Wenn der Vorgesetzte wissen will, ob man nicht lieber hinter der Kamera weiterarbeiten wolle und dass „irgendwann ja mal Schluss sein müsse“, ist die Botschaft klar. Gleichaltrigen männlichen Moderatoren ist das – soviel ich weiß – nicht passiert. Wie pariert man eine solche Attacke? Da hilft nur, nicht schüchtern sein und um eine gute Begründung zu bitten. Wenn es die nicht gibt, weil man seine Arbeit ordentlich macht und beliebt ist beim Publikum – dann hat man gute Karten. Und sollte sie ausspielen.

Was hat sich seitdem verändert?

Heute ist man sensibler, was Altersdiskriminierung und Sexismus angeht. Vieles hat sich gewandelt. Dazu haben Skandale wie #metoo und viele junge Feministinnen im Netz beigetragen. Aber jemand wie ich schon auch. Immerhin bin ich die Erste, die es geschafft hat, sich im deutschen Fernsehen in der Prime Time, also nach 20 Uhr, bis zum Alter von 67 zu behaupten. Nach mir wird es nun die Regel sein, hoffe ich. Auch dafür habe ich gekämpft.

Welche Rolle haben Frauen aus Ihrer Sicht heute in den Medien?

Frauen haben sich auf dem Bildschirm in den letzten zwei Jahrzehnten großes Ansehen erworben – zum Beispiel als exzellente Talkshow-Gastgeberinnen. Mit Anne Will, Sandra Maischberger oder Maybrit Illner kann nur noch Markus Lanz mithalten. Und inzwischen stellen Frauen auch unter den Gästen immer öfter ihre Expertise unter Beweis und sprechen ebenso sachkundig über Krieg und Energiekrise wie Männer. Nur in den Chefetagen fehlen sie noch, da gilt es einiges aufzuholen.

Denken Sie, damit wäre alles erreicht?

Nein, für Frauen wird es immer schwieriger sein, sich durchzusetzen, als für Männer. Weil die Strukturen männlich geprägt sind – wie in der Politik. Frauen müssen sich alles erkämpfen und können dann erst Einfluss nehmen auf das System. Das liegt vielen Frauen nicht, doch wer nicht kämpft, ist schnell weg vom Fenster.

Bisher haben wir nur von Problemen im Alter gesprochen – wie war es zu Anfang Ihrer Karriere?

Schwieriger, weil es damals noch so wenig Frauen in den Medien gab. Deshalb war man manchmal den Avancen der fast ausschließlich männlichen Chefs ausgesetzt. Das habe ich als Praktikantin bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ erlebt und in meinem Buch „Reifeprüfung“ geschildert. Wer sich gegen die Zumutungen wehrte, hatte sofort den Ruf als „Zicke“ weg. Nicht gerade karrierefördernd. Auch heute sind Journalistinnen noch mit „patriarchalen Strukturen“ konfrontiert. Es müssen nicht gleich sexuelle Übergriffe sein, es reicht auch eine Bemerkung über Äußerlichkeiten, um eine Frau zu treffen.

Sie haben zehn Jahre lang bei dem feministischen Magazin Mona Lisa im ZDF gearbeitet. 2017 wurde es abgesetzt – nach nicht mal 30 Jahren...

Ja, das halte ich für einen großen Fehler, dass Mona Lisa eingestellt wurde. Eine klare feministische Perspektive auf die Themen unserer Zeit – vom #Metoo-Skandal in Hollywood über die Corona-Pandemie, den Krieg und den Klimawandel – wäre bitter nötig im deutschen Fernsehen.

2020 wurde Ihnen für ihr Lebenswerk die Hedwig-Dohm-Urkunde vom Journalistinnenbund überreicht. In der Begründung hieß es unter anderem, Sie würden im Fernsehen „elegant“ gendern. Was ist damit gemeint?

Gemeint ist: Frauen sprachlich sichtbar zu machen, ohne mit der Brechstange vorzugehen. Ich habe schon früh damit angefangen, immer dann auch die weibliche Form zu benutzen, wenn ich es wichtig fand, dass man sich beim Sprechen eben nicht nur Männer vorstellt. Wenn zum Beispiel nur von „deutschen Soldaten“ in Afghanistan die Rede war, dachte ja niemand daran, dass auch Frauen dort ihren Kopf hinhielten. Erst spät habe ich auch das Gendersternchen benutzt und beispielsweise Lehrer*innen gesagt. Da hagelte es Beschwerden. Vor allem ältere Herren schrieben mir empörte Briefe. Aber Sprache entwickelt sich weiter, und solange das Sternchen nicht als Fehler gewertet wird, sollte jeder für sich ausprobieren dürfen, alle Geschlechter anzusprechen.

Welches Ereignis in den Nachrichten hat Sie in Ihrer Zeit als Moderatorin besonders bewegt?

Der Fall der Mauer 1989 hat mich tief bewegt. Meine Mutter kam aus Dresden und ist mit meinen beiden Schwestern beim großen Angriff 1945 geflohen. Ein Teil meiner Familie lebt dort noch heute. Bei der Wiedervereinigung dachte ich: Jetzt ist die Welt ist in Ordnung. Auch als mit Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin gewählt wurde, fand ich das großartig. Inzwischen werden allerdings die Uhren leider wieder zurückgedreht. Und es sind immer noch viel zu wenig Frauen im Bundestag.

Welchen Rat würden Sie jungen Journalistinnen geben?

Immer weiterkämpfen und nichts für selbstverständlich halten. Das hat mir meine Lebenserfahrung gezeigt. Wie Willy Brandt schon sagte: „Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer.“