Hamburg. Gehören die von Alfred Dreckmann gesammelten historischen Dokumente ins Museum oder nicht? Die Meinungen gehen weit auseinander.
Der Tragikomödie nächster Akt im Streit um den Nachlass Alfred Dreckmanns (†2020), des ehemaligen Bergedorfer Museumsleiters.
Was bisher geschah: Familie Dreckmann möchte gern die historischen Dokumente im Bergedorfer Schloss archiviert wissen, zugänglich für Forschende, die sich für die Bergedorfer Arbeiterbewegung interessieren, für Verfolgungen und Widerstand im Dritten Reich oder gar für eine Namensliste der Bergedorfer SA-Leute in den 1930er-Jahren. Doch die heutige Museumsleiterin Schanett Riller hatte – im Einvernehmen mit dem Beirat – abgelehnt: Nicht nur die Eignung der Sammlung stehe für eine Ausstellung infrage, auch die finanzielle und personelle Möglichkeit einer Erschließung.
Ausschuss tagt – kein Rederecht für bezirksfremde Einwohner?
Ob die historischen Dokumente nicht doch eine große museale Bedeutung für Bergedorf haben, wollte der Historiker Arne Andersen in der öffentlichen Fragestunde des Kulturausschusses wissen – und lauschte zunächst einem Prolog von Verwaltungsdezernent Ulf von Krenski: Der hatte in der Verwaltungsreform von 2006 gefunden, dass lediglich „Menschen mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Bezirk ein Fragerecht haben“. Doch nahezu gönnerhaft riet er dem Ausschuss zu einem „unorthodoxen Vorgehen“, den Historiker aus Altona trotzdem zu hören, da das Thema ja von großem politischen Interesse sei.
Erster Auftritt Bezirksamtsleiterin im Online-Kulturausschuss: „Ich habe die Kulturbehörde gefragt, die die fachliche Einschätzung Frau Rillers im Kern nicht beanstandet und eher auf themenbezogene Archive wie zum Beispiel beim Institut für Sozialforschung setzt“, sagte Cornelia Schmidt-Hoffmann, die einen entsprechenden Brief nun an die „nicht glückliche“ Witwe schreiben wolle: Dies sei nicht als Herabsetzung der Sammlung zu verstehen, „sondern wir wollen sie an richtige Orte führen, anstatt sie im Keller des Museums verstauben zu lassen“.
Museum Hamburg: Sammlung eher in Bergedorf behalten oder im Staatsarchiv?
Dies sollte für einen Dolchstoß nicht genügen: „Ich würde die Sammlung lieber in Bergedorf haben als im Staatsarchiv“, warf Historiker Andersen vehement ein.
„Wenn das Schloss aber keine Kapazitäten für eine Digitalisierung hat, fressen alles die Motten“, fürchtet Erika Garbers (CDU), die lieber das Staatsarchiv oder die Staatsbibliothek bemühen würde. Wie auch Sonja Jacobsen (FDP), die Geschichte studiert hat und weiß: „Ein nicht katalogisierter Karton nutzt dem forschenden Historiker so viel wie ein nasses Handtuch.“
In weiteren Nebenrollen die Grünen („Wir würden die Sammlung für Bergedorf gern erhalten“) und die SPD („Wir haben keinen Einfluss auf den unabhängig agierenden Museumsbeirat“).
Museumsbeirat als geschützter Denkraum tagt nicht öffentlich
Weiterhin unerschrocken-forsch indes Die Linke: Es sei unverständlich, dass der Museumsbeirat nicht öffentlich tage, so Rudi Walter. Er bemängelt einen „evidenten Reformstau“. Wenigstens die Protokolle würde auch Erika Garbers (CDU) gern einsehen. Sie meint: „Die Geheimnistuerei des Beirats tut nicht not.“
Einen unglücklichen Ausgang fürchtend, betrat erneut die Verwaltung die Bühne: Der Beirat brauche für seine Diskussionen eine geschützte Atmosphäre (von Krenski), es handele sich um einen „Denkraum“ (Schmidt-Hoffmann). Dazu Riller: „Ein Beirat-Bashing der ehrenamtlichen Mitglieder ist nicht fair.“
Museumsbeirat soll zur nächsten Ausschusssitzung kommen
Letzter Auftritt Rudi Walter: „In anderen Hamburger Museen gibt es diese Ängste zur Diskreditierung nicht, die richten sogar öffentliche Werkstätten zu möglichen Verbesserungen ihrer Ausstellungen ein.“ Seitlicher Abgang.
Tragisch: Wer sich nun um den Verbleib des Nachlasses kümmert, bleibt ungeklärt. Schlusswort der Ausschussvorsitzenden Jacobsen mit Ankündigung eines nächstes Aktes: „Wir können zur nächsten Präsenzsitzung die Mitglieder des Beirates einladen.“