Hamuburg. Ein couragierter VfL Lohbrügge schafft vor 250 Zuschauern ein 1:1 gegen den Oberliga-Tabellenführer TuS Dassendorf.
Während sich seine Mannschaftskameraden vom Fußball-Oberligisten VfL Lohbrügge bei lauter Musik in der Kabine das eine oder andere Kaltgetränk auf das überraschende 1:1 gegen den bis dahin verlustpunktfreien Tabellenführer TuS Dassendorf gönnten, zwängte sich Stjepan Brkic mit bedröppelter Miene in seinen Trainingsanzug. Der Allrounder der Hausherren war im ersten Abschnitt der Partie unglücklich auf die Schulter gefallen, hatte aber dennoch bis zum Schlusspfiff durchgehalten.
Nun waren die Schmerzen beim 25-Jährigen so groß, dass er sich ins Krankenhaus begeben wollte. „Wer kann ihn fahren?“, fragte Mitspieler Andreas Metzler, der mit gebrochenem Mittelfinger nicht mitwirken konnte. Der etatmäßige Stammkeeper Tobias Braun stand mit einem leicht geschwollenen rechten Auge ganz in der Nähe und winkte ab. Er hatte sich im Abschlusstraining eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen, die Begegnung ebenfalls nur in Zivil verfolgt.
Fußall-Oberliga: Stjepan Brkic vom TuS Dassendorf fällt unglücklich auf die Schulter
Insgesamt musste der VfL gegen den Titelfavoriten aus verschiedenen Gründen auf eine „zweistellige Anzahl“ von Spielern verzichten, wie Sven Schneppel erzählte, der das Team gemeinsam mit Elvis Nikolic coacht. Umso bemerkenswerter war vor 250 Zuschauern auf dem Kunstrasenplatz am Binnenfeldredder die Leistung der Lohbrügger gegen die Dassendorfer Übermannschaft. Bis zur 88. Minute führte der krasse Außenseiter mit 1:0, bevor ausgerechnet der aus der VfL-Jugend stammende Sven Möller die Gäste mit einem Traumtor vor der ersten Niederlage bewahrte.
Ex-Lohbrügger Sven Möller trifft zum Ausgleich gegen seine Jugendliebe
„Was bist du denn für ein Arsch?“, herrschte Lohbrügges Präsident Jens Wechsel den Blondschopf augenzwinkernd nach dem Schlusspfiff an. Möller hatte am „Binner“ seine fußballerische Ausbildung genossen und später seine ersten Schritte im Herrenbereich gemacht. Nun traf er nach Kopfballvorlage von Martin Harnik kurz vor Ultimo mit einem satten Rechtsschuss aus 18 Metern zum 1:1-Endstand gegen seine Jugendliebe.
Glücklich machte ihn dieser Geniestreich nur bedingt. „Wir müssen wieder besser Fußball spielen. Wir haben eine Mannschaft, mit der du in dieser Liga jedes Spiel gewinnen musst. Heute sind wir auf den Boden der Tatsachen geholt worden“, sagte der Mittelfeldmann, der seinem Ex-Club „großen Respekt“ für dessen Leistung zollte.
Lohbrügger mit viel Herz, taktischer Disziplin und guten Umschaltmomenten
Dieses Lob hatten sich die Lohbrügger redlich verdient. Mit viel Herz, taktischer Disziplin und dem einen oder anderen guten Umschaltmoment boten sie der TuS bewundernswert Paroli. Keeper Arne Hantusch feierte ein ansprechendes Oberliga-Debüt, der A-Jugendliche Joshua-Robin Behn entnervte den früheren Profi Mattia Maggio durch Zweikampfstärke. Fast jeder gewonnene Zweikampf oder gelungener Spielzug wurde gefeiert. Das gab den Hausherren Auftrieb und nervte den Gast sichtlich. Nur eine gute Torchance besaßen die Dassendorfer vor der Pause: Ein Heber von Harnik verfehlte knapp das Ziel (23.). „Die erste Halbzeit war von uns grausam“, sagte Möller.
Sein Ex-Verein hatte ebenfalls nur wenige Offensiv-Szenen. Aber die besseren. Anto Zivkovic kam in der 21. Minute völlig freistehend zum Kopfball, verfehlte das Tor aber deutlich. Besser machte es kurz vor der Pause Martin Schauer, der drei Tage vor Saisonbeginn von der TuS zum VfL gewechselt war, nachdem er in Dassendorf nur sporadisch zum Einsatz gekommen war. Nach einem Konter umspielte der Mittelfeldakteur TuS-Keeper Christian Gruhne und schob zum umjubelten 1:0 ein (40.). „Das hat er geil gemacht“, gab Gruhne freimütig zu. „Wer hat den denn verkauft?“, fragte sich Dassendorfs Mäzen Michael Funk nach dem Spielende.
Unbeherrschtheit von Jeriomenko bringt Lohbrügge in Unterzahl
Nach der Pause waren die Gäste drückend überlegen, doch es gelang ihnen fast nie, hinter die Lohbrügger Abwehr zu kommen, die sich bei TuS-Angriffen von einer Dreier- in eine Fünferkette verwandelte. Und die ruhenden Bälle, sonst eine Stärke des Gastes? „Sie müssen viel besser kommen“, monierte Möller.
Doch was war bloß in Lohbrügges Sergej Jeriomenko gefahren? In der 75. Minute setzte der Mittelfeldspieler fernab der Gefahrenzone zu einer Grätsche gegen Kerim Carolus an, traf den Dassendorfer zwar nicht, sah aber wegen des Vorsatzes eines rüden Einsteigens von Schiedsrichter Gerrit Breetholt (Grün-Weiß Eimsbüttel) die Rote Karte. „Die kann man geben“, gaben Schneppel und Nikolic zu.
In Unterzahl warf sich der VfL weiter leidenschaftlich in jeden Ball, bevor Möller die Träume des Außenseiters von einem Sieg mit einem strammen Rechtsschuss platzen ließ. Nach sieben Minuten Nachspielzeit rissen die Lohbrügger dann aber trotzdem die Arme in die Höhe, feierten das 1:1, mit dem die Dassendorfer Siegesserie gerissen ist. „Ich bin unsagbar stolz auf diese Jungs“, sagte Präsident Wechsel, während sich der an der Schulter lädierte Brkic in Richtung Krankenhaus begab. „Das ist kroatische Härte“, witzelte VfL-Trainer Nikolic mit Blick auf die Herkunft des Mannes, der keine Schmerzen zu kennen scheint. Zumindest nicht, bevor der Abpfiff ertönt ist...
- VfL Lohbrügge: Hantusch (3); Pallasch (2), Holz (2), Behn (2); Santelmann (2), Brkic (3), Karow (2), Jeriomenko (3), Schauer (3), Zivkovic (2); Bäker (3) ab 81. Akkus (-).
- TuS Dassendorf: Gruhne (3); K. Carolus (3) ab 82. Lenz (-), Ahlschwede (2-3), Sowah (4) ab 71. D. Bergmann (-); Aust (3-4) ab 46. Strömer (3-4), Dettmann (3-4), R. Carolus (3), Möller (2-3), Lam (3) ab 71. Kurczynski (-), Maggio (4) ab 87. Buchholz (-); Harnik (3-4).
- Tore: 1:0 Martin Schauer (40.), 1:1 Sven Möller (88).