Hamburg. Neues Buch von Andreas Babel beleuchtet Lebensläufe von Nazi-Ärzten nach dem Krieg. Bergedorfer Woche des Gedenkens ab 1. November.
Es sind „Innenansichten“ sogenannter Mediziner, die vor 80 Jahren zu Tätern wurden: „Kindermord im Krankenhaus“ ist der Titel des 408 Seiten starken Buches vom Celler Journalisten Andreas Babel, das jetzt in dritter, deutlich erweiterter Auflage erschienen ist (19,90 Euro; ISBN 978-3-95494-245-9).
Das Werk beleuchtet die dunkelste Zeit des bis 1982 betriebenen Kinderkrankenhauses in Rothenburgsort, heute Sitz des Instituts für Hygiene und Umwelt an der Marckmannstraße. Hier haben Nazi-Ärzte mindestens 130 behinderte Säuglinge und Kleinkinder umgebracht. Babel hat für die Neuauflage ein legendäres Fundstück ausgewertet: Im Staatsarchiv ist ihm eine Liste sämtlicher Mediziner in die Hände gefallen, die hier von 1940 bis 1945 unter dem Euthanasie-Fanatiker Dr. Wilhelm Bayer Dienst taten.
Warum Mediziner während des Nationalsozialismus behinderte Kinder töteten
Andreas Babel hat jedem einzelnen dieser Namen nachgespürt und zahlreiche Biografien zusammengetragen. Darunter auch die der späteren Bergedorfer Ärzte Dr. Ilse Hinz und Dr. Hans-Jürgen Petersen. Viele der Lebensläufe zeigen in erschreckender Deutlichkeit, wie normal es für die Mörder war, nach dem Krieg einfach als Arzt weiterzumachen. Aber auch, mit welcher Selbstverständlichkeit getötet wurde. Babel listet gut 20 Mediziner auf, die nie angeklagt wurden – allerdings auch solche, die sich gegen das System des Tötens stellten.
Als wahrscheinlich gelten Verbindungen der Ärzte des Kinderkrankenhauses zum kaum 300 Meter Luftlinie entfernten Außenlager des KZ Neuengamme am Bullenhuser Damm. Dort sind 20 jüdische Kinder für medizinische Versuche missbraucht und schließlich ermordet worden. Ihre Schicksale zeigt die Ausstellung „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“, die in Bergedorfs Woche des Gedenkens ab Montag, 1. November, gezeigt wird (www.woche-des-gedenkens.de).