Hamburg. Schon über zwei Millionen Euro erbeuteten Telefongangster in diesem Jahr. Mit Aktionstagen soll für die Gefahr sensibilisiert werden.
Das war ein Riesenschock für die Betrugsopfer aus Bergedorf kurz vor Ostern: Am 13. April klingelten bei ihnen am Ladenbeker Weg die Telefone. Geschildert wurde von angeblichen Polizeibeamten und einem Staatsanwalt, dass die Tochter der Angerufenen einen Verkehrsunfall mit Todesfolge verursacht habe. Sie sitze nun im Gefängnis und käme nur gegen Kaution frei. Weil die Rentner durch diesen Schockanruf enorm unter Druck gesetzt wurden, erbeuteten die Täter letztlich 51.000 Euro.
Ein gleichermaßen unfassbarer wie typischer Fall, den Carsten Schott, Leiter des Landeskriminalamts 43 (Fachkommissariat Schwerer Diebstahl), schildert. Und der zweifelsfrei zeigt: Telefonbetrügerei mittels Enkeltrick, Schockanrufen oder durch falsche Polizisten hat weiter Hochkonjunktur. In Hamburg wurden im vergangenen Jahr so 2,6 Millionen Euro ergaunert, im laufenden Jahr wurde bereits die Zwei-Millionen-Euro-Marke deutlich übertroffen – und dies bei nur wenigen geglückten Betrugsversuchen.
Gemeinsame Kampagne von Polizei, Weisser Ring und Bäckerinnung
„Allein in der vergangenen Woche wurde durch Telefonbetrug 300.000 Euro in Hamburg erbeutet“, so Schott. Nun möchten Polizei, Polizeiverein, Weisser Ring und die Bäckerinnung mit speziellen Aktionstagen in allen Bezirken nicht nur die potenziellen Opfer, überwiegend Menschen im Seniorenalter, sondern auch deren Umfeld für die „miesen Maschen der Telefonbetrüger“ sensibilisieren.
Die Appelle von Hamburgs LKA-Chef Mirko Streiber oder auch Kristina Erichsen-Eggers, Landesvorsitzende des Weissen Rings, während des Kampagnenauftakts in der Europa-Passage sollen die breite Öffentlichkeit hellhörig machen. Denn Telefonbetrug ist ein Riesenproblem in Deutschland geworden: Insgesamt erbeuteten Telefonbetrüger 2021 in Deutschland rund 50 Millionen Euro.
Sensibilisierung hat nun Priorität – denn viele Menschen nehmen die Gefahr nicht ernst, wie Streiber aus der Praxis zu berichten weiß: „Viele denken, sie würden niemals auf so eine Masche hereinfallen. Genau das erzählen die meisten Opfer uns dann.“
LKA-Chef schildert Schicksalsschläge
Streiber schilderte beispielhafte Schicksalsschläge aus dem Vorjahr: Von einem älteren Ehepaar, das 218.000 Euro als Kaution für ihren Sohn, der angeblich einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte, vor dem Landgericht Hamburg übergab – und dort sogar zu zwei Übergaben hinzitiert wurden, weil die Täter angaben, sie hätten bei der ersten Übergabe Falschgeld erhalten.
Oder ein anderer Versuch bei einer Rentnerin, die unter Druck gesetzt von eingemauerten Goldreserven berichtete.
Zwei Unbekannte versuchten, das Edelmetall herauszuschlagen – dies missglückte, die Täter nahmen stattdessen Schmuck im Wert von 30.000 Euro mit. Neben dem finanziellen Ruin „beklagen Opfer nachhaltige psychische Schäden“, so Streiber. „Auch das Vertrauen in Institutionen wie die Polizei geht verloren.“
Bergedorf gilt noch als unterschiedlich bezüglich Opferzahlen
Zwar hat es im Bezirk Bergedorf keine übergroße Zahl an Fällen gegeben, und Carsten Schott ordnet die Lage im Vergleich zu anderen Bezirken und Stadtteilen eher als „durchschnittlich“ ein. Doch auch hier haben sich schmerzhafte Betrugstaten ereignet: Im Jahr 2020 wurden sechs Telefonbetrügereien vollendet, in 2021 fünf und im laufenden bereits zwei. Schott berichtet von einem Fall aus dem Jahr 2020, als ein Opfer aus dem Dünenweg einem falschen Polizisten auf dem Leim ging und wegen angeblichen Falschgelds im eigenen Banktresor 110.000 Euro verlor.
Die miesen Tricks am Telefon sollen aufhören: Deshalb möchten Polizei, Opferhilfe und die Bäckerinnung die Bevölkerung weiter für das Thema mit Aktionstagen sensibilisieren. Am Mittwoch, 1. Juni, wird Heinz Hintelmann, Chef von „Bäcker Heinz“, voraussichtlich auf dem Edith-Stein-Platz vor seiner Filiale Brötchentüten mit besonderer Botschaft („Achtung Telefonbetrug“) an Passanten verteilen.
Beamte des Bergedorfer PK 43 sprechen zudem mit den Bürgern und verteilen die Broschüre „Im Alter sicher leben“ – so etwas wie das Ein-mal-Eins der Betrugsmaschen nicht nur beschränkt auf das Telefon, sondern auch an der Haustür, im Internet oder auch der Pflege.