Hamburg. Stadtteilschüler suchen weitere Zeitzeugen und Unterlagen. Ziel ist es, eine App mit einer digitalen Schnitzeljagd zu entwickeln.
Wie mag es früher wohl im Stuhlrohrviertel gerochen haben? Wie bei den Glasbläsern geklungen haben? Und wie war das Leben an der Straße Specken, bevor sie der B 5 zum Opfer fiel? Solche Fragen stellen sich derzeit 21 Stadtteilschüler der GSB, die sich mit den kolonialen und auch post-kolonialen Strukturen Bergedorfs beschäftigen. „Wobei das nicht immer leicht zu unterscheiden ist“, sagt Lehrer Bernd Ruffer, der den Zwölftklässlern des Profils „Geschichte und Theater“ berichtete, dass bei Kriegsausbruch 1914 das Land Kamerun etwa längst von Hamburger Kaufleuten entdeckt war: „Mit seinem Überseehandel hat Hamburg also längst von Sklaverei und Ausbeutung profitiert.“
Schüler der Stadtteilschule Bergedorf beschäftigen sich mit Bergedorfs Vergangenheit
Wie aber genau hat sich diese Geschichte auch auf Bergedorf ausgewirkt? Das wollen die Schüler erforschen, um eine „digitale Schnitzeljagd“ zu ermöglichen: Mit einer App können Spaziergänger künftig an mehreren Stationen in der Bergedorfer Innenstadt einen QR-Code scannen und Spannendes über die früheren Lebens- und Arbeitswelten erfahren. Dazu werden über Kopfhörer Ausschnitte aus Interviews eingeflochten, die auch mit Hilfe der Geschichtswerkstatt und dem „Bergedorfer Dialog“ der Körber-Stiftung entstanden sind.
„Zuletzt hat uns Frau Pinnau in ihrem Keller noch Ausstellungsstücke des Kolonialwarenladens gezeigt, den ihre Familie seit 1855 im heutigen Sachsentor führte“, erzählt Bernd Ruffer. Zudem begleitete er seine Klasse an die Bergedorfer Schlossstraße zu Horst Rödinger. „Wir waren Tabakfabrikanten“, sagt der heute 84-Jährige. Sein Großvater kam 1868 nach Bergedorf: „1888 begann der Bau des ersten Teils der Tabakfabrik, 1904 war auch der zweite Teil fertig.“
Wer hat als Kind im Kolonialwarenladen eingekauft?
„Reiche Beute“ machten die Schüler in der einstigen Tabakfabrik, dürfen nun Unterlagen zum Firmenjubiläum auswerten, dazu einen historischen Werbekatalog für die vielen Tabakprodukte. „Wir haben wahre Schätze geborgen. Auch bekamen wir die Familien-Chronik der Tabakfabrik – handgeschrieben! Das ist ein tolles Unikat“, sagt Lehrer Ruffer, der zugleich mit seiner Klasse im Hamburger Staatsarchiv nach Originalakten zum Kolonialismus stöbert.
Doch für die „digitale Schnitzeljagd“ werden noch mehr alteingesessene Bergedorfer gebraucht: Wer hat als Kind im Kolonialwarenladen eingekauft? Wer erinnert noch jemanden, der im Bergedorfer Hafen gearbeitet hat? Oder in der Stuhlrohrfabrik, die ihre Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg nach Indonesien verlegte? Wer weiß vielleicht aus Erzählungen seiner Großeltern, welche Handwerksbetriebe es in Bergedorf gegeben hat? Dazu wünschen sich die Schüler weitere Gesprächspartner, die sich bei Lehrer Ruffer melden können. Der Kulturbeauftragte der GSB ist erreichbar unter der Telefonnummer 0176/23 57 65 13.