Neuallermöhe. Bei den Wettkämpfen in Köln geht es auch um die Olympia-Qualifikation für die Spiele in Tokio.

Mehrmals pro Woche treffen sich Fynn Nietz (15), Jesse Klös (12), Karl Ricke (12), Tyren Rosso (11) und Lito Gorten (11) zum Skateboard-Fahren im Sportpark der TSG Bergedorf in Neuallermöhe und feilen an ihren Tricks. Dafür reisen die Jungs aus ganz Hamburg an. Der Aufwand lohnt sich, ist Daniel Klös, der Vater von Jesse, überzeugt. „Es ist ein geschützter Bereich, und das Team des Skateparks gibt sich ganz toll Mühe mit den Kindern“, lobt er. Schnell hatte die TSG zudem für die Corona-Pandemie ein Hygienekonzept parat. Seit Mai 2020, seitdem das Gelände umzäunt ist, ist der Sportpark Neuallermöhe (Sophie-Schoop-Weg 90) täglich geöffnet. Das hat für einen Boom gesorgt: Von Null stieg die neu gegründete Skateboard-Abteilung der TSG Bergedorf binnen eines Jahres auf jetzt 120 Mitglieder. „Darunter sind viele jüngere Kinder, die bei uns das Skateboard-Fahren erst lernen“, erläutert der Sportpark-Leiter Tobias Münster, der am Aufschwung großen Anteil hat und zum „Hauptamtlichen Mitarbeiter des Jahres“ in der TSG ernannt wurde.

TSG Bergedorf ist erstmals bei der Skateboard-DM dabei

Der Boom in „Allerfornia“, wie die Jugendlichen den Sportpark in Anlehnung ans sonnige Kalifornien liebevoll nennen, trägt nun auch sportliche Früchte. Mit Fynn, Jesse, Karl, Tyren und Lito schickt die TSG Bergedorf zum ersten Mal fünf Fahrer zu den Deutschen Meisterschaften, die von Freitag bis Sonntag in Köln-Weidenpesch ausgetragen werden. Bis zu 60 Jugendliche wetteifern dort im „North Brigade“ Skatepark um nationale Titel, 3000 Euro Preisgeld und Punkte für die Olympia-Qualifikation. Bei den Spielen in Tokio (23. Juli bis 8. August) wird Skateboard-Fahren erstmals olympisch sein.

Das Neuallermöher Quintett reiste bereits am Dienstag an, um sich zwei Tage lang in Ruhe auf der Anlage einfahren zu können. „Die haben Großes vor“, weiß Münster, dem vor allem die Ernsthaftigkeit ihres Trainings imponiert. „Skateboard-Fahren, so wie sie es betreiben, ist mehr als nur Rumeiern. Da gehören beim Training zum Beispiel auch Krafttraining, Sprungtraining und Gleichgewichts-Übungen dazu.“ Jesse, Lito und Tyren starten in der Disziplin „Street“, Fynn und Karl in der Disziplin „Park“ (siehe Erläuterung am Artikelende).

Erreichen des Halbfinales wäre ein Riesenerfolg

Doch die Spiele in Tokio kommen für sie noch zu früh. Die besten deutschen Skateboard-Fahrer sind alle älter und erfahrener. „Wenn einer oder zwei in ihrem Wettbewerb das Halbfinale der besten Zwölf erreichen, wäre das schon ein Riesenerfolg“, ist Daniel Klös überzeugt. Sein Sohn Jesse gilt als der Talentierteste des Quintetts. „Er könnte ein Kandidat für die Spiele in Paris 2024 sein“, spekuliert Münster. Der zwölfjährige Jesse hat schon Sponsoren und 6672 Follower auf Insta­gram, wo er seine Kunststücke zeigt. „Das hat er sich alles selbst erarbeitet“, lobt sein Vater. „Anfangs habe ich die Filme noch für ihn hochgeladen. Mittlerweile macht er das alles selbst.“ Das Kamera-Handy gehört ins Gepäck eines jeden Skateboard-Enthusiasten, egal wo er gerade fährt. „Das Filmen ist für sie unheimlich wichtig“, weiß Daniel Klös. „In der Szene sagen sie: Ein Trick, der nicht gefilmt wurde, hat nicht stattgefunden.“

Doch auch die anderen vier DM-Teilnehmer haben einiges drauf. Lito Gorten etwa hat gerade den Sprung ins Regioteam geschafft, in dem die größten Talente Norddeutschlands versammelt sind. „Fynn Nietz, mit 15 der Älteste, ist unser verkanntes Talent, denn er ist der einzige ohne Sponsor“, schildert Münster. Schon als Achtjähriger war Fynn mit im traditionellen Sommer-Zeltlager der TSG in Behrensdorf, bekam so Kontakt zum Verein. Tyren Rosso ist der Sohn von Benjamin „BJ“ Rosso, der früher im TSG-Basketballteam mit TSG-Chef Boris Schmidt als Trainer gespielt hat. Er kennt also Leistungssport von klein auf. Karl Ricke ist der Perfektionist im Team. „Der steckt sich seine Ohrenstöpsel rein, lässt sich von nichts mehr ablenken und übt ein Element so lange, bis es sitzt“, staunt Münster. Mit so einer Einstellung lässt sich sicherlich auch in Köln einiges reißen.

Nur an Mädchen mangelt es beim Skateboard-Fahren

Künftig könnte es häufiger zu DM-Teilnahmen von TSG-Sportlern kommen. „In der Altersklasse der Acht- bis Neunjährigen, die noch zu jung für eine Deutsche Meisterschaft sind, haben wir eine ganze Reihe weiterer Talente“, schwärmt Münster, der für die Zukunft vor allem einen großen Wunsch hat: „Aktuell haben wir im Sportpark nur zwei Mädchen. Es wäre schön, wenn wir künftig mehr Mädchen für diesen Sport begeistern könnten.“

Fachbegriffe aus dem Skateboard-Sport

Street: Klassische Disziplin aus den Innenstädten. Es geht darum, kunstvoll Treppen herunterzufahren und auf Geländer zu springen.

Park: Neben Street die zweite olympische Disziplin. Der Parcours sieht aus wie ein leeres Schwimmbad, und so wurde es auch erfunden: von Surfern in Kalifornien, die sich langweilten und auf Rollen durch leere, an den Unterkanten abgerundete Schwimmbecken fuhren.