Hamburg. Dieter Senkpiel leistete bei der schlimmen Sturmflut in Hamburg Hilfe als Feuerwehrmann. Zwei weitere Zeitzeugen berichten.
Am 16. Februar, 13.37 Uhr, heulen in Hamburg-Lohbrügge die Sirenen. An der Wentorfer Straße droht ein Baum zu fallen. Der erste Einsatz für die FF Lohbrügge. Bis zum 24. Februar werden die beiden Gruppen 163 Stunden im Einsatz gewesen sein. Um 01.55 Uhr rücken beide Fahrzeuge nach Ochsenwerder aus. „Wir fahren mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit, die die kurvenreichen Deiche zulassen. Auf dem Ochsenwerder Elbdeich stehen die Menschen und schauen bangend auf die Elbe. Es ist ein gespenstisches Bild, das Wasser steht bis an die Deichkrone.“
Am 22. Februar, 14.30 Uhr, geht es für die FF Lohbrügge in eine Gartenkolonie auf der Peute mit etwa 300 Behelfsheimen. „Die gewaltige Flutwelle hat ein Holzhaus mit Inventar auf zwei andere Häuser geschoben. Wir finden noch zwei tote Personen. Es sind Vater und Sohn. Somit hat die Flut an dieser Stelle 13 Menschenleben gefordert.“
Dieter Senkpiel, Lohbrügge
Erinnerung: Michael Kühl musste Jazzkonzert verlassen
Ich war 17, wohnte damals wie heute an der Justus-Brinckmann-Straße, auf dem Gojenberg. An dem betreffenden Freitagabend war ich in einem Konzert in der Musikhalle in der Hamburger Innenstadt. Dort spielte damals der französische Jazz-Klarinettist Claude Luter. Vor der Pause flackerte die Beleuchtung, nach der Pause fiel das Licht ganz aus. Im Dunkeln gingen die Konzertbesucher zur Garderobe – und dann weiter im Dunkeln, denn auch die Straßenbeleuchtung war ausgefallen, zum Dammtorbahnhof. Gott sei Dank kam gleich die S-Bahn nach Bergedorf. Sie fuhr plötzlich Schleichfahrt über die erste Brücke, aber es gab keine Durchsage. Auf dem Bergedorfer Bahnhof wurde dann per Lautsprecher-Durchsage mitgeteilt, dass der Bahnverkehr eingestellt worden war. Die Bus-Ringlinie fuhr noch und die Straßen waren beleuchtet.
Michael Kühl, Bergedorf
Halbe Hühnerställe trieben im Wellengang gegen den Deich
Der Winter 1961/1962 hatte meiner Familie schon einiges abverlangt: Kurz vor Weihnachten war das halbe Dach unseres neuen Hause vom Sturm abgedeckt worden. Der Grund: eine Fehlkonstruktion des Giebels. Wir bezogen unser neues Zuhause im Herbst 1961, damals am Ochsenwerder Elbdeich, heute am Dorferbogen. Das Haus steht „außendeichs“, der „Doben“, ein Nebenarm des Hauptstroms, kam uns und unseren Nachbarn sehr nahe. Selbst bei Ebbe wich das Wasser kaum zurück.
Als dann am Abend das Wasser immer höher stieg, fingen wir an, unsere Häuser abzusichern. Bei uns war von den Bauarbeiten noch ein Erdhügel übriggeblieben. Mein Opa, mein Vater und mein Schwager dichteten die hintere Zugangstür zum Keller mit dieser Erde ab. Im Keller waren der Elektroanschluss und die Zentralheizung untergebracht. Mangels Sandsäcken und Erde dichteten einige unserer Nachbarn ihre Kellerräume mit Mist und Kuhdung ab. Gegen 21 Uhr konnte ich von meinem Zimmerfenster im zweiten Stock aus beobachten, wie das Elbwasser in breitem Schwall zuerst auf das Grundstück des Nachbarn lief.
Hühnerställe trieben gegen den Deich und die Häuser
Der Hinterhof unserer Häuser mit seinen Beeten und Feldern lief langsam voll Wasser. Sehr bald entstand eine einzige Wasserfläche, die Wellen wurden immer höher. Balken und halbe Hühnerställe trieben gegen den Deich und die Häuser. Unheimlich wummerte ein Balken im Wellengang unter unserem Balkon. Das Fensterglas meines Zimmerfensters bog sich unter dem starken Winddruck mit Böen wie eine Membran. Heute würde ich nicht mehr so fasziniert vor so einem Fenster stehen – beim Bruch des Fensters hätte es schwere Verletzungen geben können. Zum Glück ist nichts passiert. Nur in die Keller-Räume war Wasser eingedrungen.
Holger Lübberstedt, Ochsenwerder