Hamburg. Ein altes Poesiealbum aus Kirchwerder gehört jetzt zum Bestand der Stabi. Ein Eintrag stammt von der Mutter von Wolfgang Borchert.

Wer weiß, wo das grüne, abgegriffene Poesiealbum gelandet wäre, gäbe es Walter Eggers aus Kirchwerder nicht. „Es hat meinem Onkel Heinrich Eggers gehört und war dann irgendwie im Elternhaus liegen geblieben“, erzählt der 83-Jährige. Er nahm es schließlich mit, denn er mag und sammelt alte Dinge: „Manchmal weiß man erst nicht wofür, und dann kann man es doch einmal gebrauchen.“

Und nun schlägt des Büchleins große Stunde: Es kommt zur Borchert-Sammlung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Stabi). Ausschlaggebend ist dabei eine Seite des Albums, die Herta Salchow mit Feder und Tinte beschrieben hat. „Vielleicht ist es das früheste Schriftzeugnis von ihr, das es noch gibt“, sagt Dr. Konstantin Ulmer (37), Kurator der Borchert-Ausstellung in der Stabi.

Herta Salchow war die Mutter von Wolfgang Borchert

Herta (häufig auch Hertha geschrieben) Salchow (1895–1985) war die Mutter des berühmten Schriftstellers Wolfgang Borchert (1921–1947; „Draußen vor der Tür“), dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 100-sten Mal jährt. Sie schrieb, mittlerweile verheiratet mit Fritz Borchert, auch selbst Geschichten – op Platt. In Altengamme geboren und in Kirchwerder aufgewachsen, gehört sie zu Vierlanden – genau wie das grüne, alte Büchlein, in das sie und ihre Mitkonfirmanden, sowie einige Lehrer, Anfang 1909 so allerlei brave Sprüche geschrieben haben.

Bernd Reinert stellt den Kontakt zur Stabi her

In feinstem Sütterlin hat die damals 14-jährige Herta Salchow notiert: „Ohne Gott – ankerlos/Außer Gott – arm und blos/In Gott – reich und groß.“ Bernd Reinert (70) sagt dazu: „Der Spruch ist durchaus bekannt, taucht hier aber in einer Variante auf.“ So stehe in der zweiten Zeile „Außer“ statt des gebräuchlichen „Vor“.

Der frühere Gymnasiallehrer und Staatsrat a.D. hat sich bereits intensiv mit den Familien Salchow und Borchert beschäftigt. Er recherchierte auch einige Details zum Borchert-Zimmer, das in der Stabi gezeigt wird. Nach unserem Bericht zu den dort gezeigten Intarsienarbeiten nahm Walter Eggers Kontakt zu Bernd Reinert auf, der ebenfalls in Kirchwerder lebt. Der wiederum weckte schnell das Interesse von Dr. Konstantin Ulmer.

Dr. Konstantin Ulmer, Walter Eggers, der das Poesiealbum in Händen hält, und Bernd Reinert (von links). 
Dr. Konstantin Ulmer, Walter Eggers, der das Poesiealbum in Händen hält, und Bernd Reinert (von links).  © Wiebke Schwirten | Wiebke Schwirten

„Wir präsentieren ja den Nachlass von Borchert und möchten ihn natürlich so vollständig wie möglich haben“, sagt Dr. Ulmer. Dazu gehörten auch Informationen zu den Eltern des Schriftstellers, der bereits mit 26 Jahren starb. Es sei spannend, zu den Wurzeln zu gelangen, das Leben Wolfgang Borcherts und auch das der Schriftstellerin Herta Borchert über viele kleine Mosaiksteinchen zusammenzusetzen. Und da ist auch die Freude über ein so kleines Puzzlestück groß.

Das Album erzählt auch ein wenig Kirchwerder Ortsgeschichte

Unterdessen blättert Walter Eggers noch einmal in den die vergilbten Seiten des Poesiealbums. Er kann fast zu jedem der Namen, die dort stehen, etwas erzählen. „Julius Schümann, das war später der Wirt von Schümanns Gasthaus in Kirchwerder. Bernhardine Schröder war Lehrerin, eine kleine Frau mit einem kleinen Buckel. Ja und Julius Vick, der war auch Lehrer. Der war verwundet aus dem Krieg gekommen, stützte sich auf große Unterarmkrücken.“

Putfarken, Meyer, Ohde – viele Namen aus dem Büchlein sind heute noch in Vierlanden präsent. Walter Eggers klappt das Album zu und reicht es Dr. Ulmer. Zufrieden sagt er: „Nun kommt es dorthin, wo es hingehört.“

Wer hat noch Schriftstücke von Herta Salchow?

Vielleicht schlummern in Vierlanden noch andere Schriftstücke auf Dachböden, in alten Koffern oder Kisten? Wer etwas von Herta Salchow besitzt, kann sich gern an Bernd Reinert wenden. Er ist unter Telefon 040 7239760 zu erreichen.