Hamburg. Schon unter den Kleinsten nehmen die Rohheiten zu, berichtet Bergedorfs Polizei. Zuletzt gab es 85 Körperverletzungen unter Kindern.

Geschubse, ein kräftiger Kinnhaken, grobe Rangeleien – entsetzt hatten Bergedorfs Jugendhilfe-Politiker erfahren, dass Kinder immer gewalttätiger werden. Allein im Bereich der Rohheitsdelikte stiegen ihre Taten um zwölf auf 90 an, hatte André Vollmer, der Jugendbeauftragte der Bergedorfer Polizei, geschildert. Zuletzt habe es zudem 85 Körperverletzungen unter Kindern gegeben, davon 53, die als gefährlich und schwer eingestuft wurden. Die Zahlen sind alarmierend: Bei insgesamt 203 tatverdächtigen Kindern (bis zum 14. Lebensjahr) zählte er einen Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Eine Erklärung für das aggressive Verhalten kann die Polizei nicht liefern. Folglich bat der Jugendhilfeausschuss nun Pädagogen zu Wort, genauer: Fachkräfte für Gewaltprävention im Kindesalter (GiK). Im Tandem stellten Kerstin Hupka (Jugendamt) und Martina Portmann (regionales Bildung- und Beratungszentrum) ihr Hilfsangebot vor, um antisozialem und gewaltauffälligem Verhalten entgegenzuwirken.

Neues Projekt: Soziales Training in Kitas und Grundschulen

Für Kindergärten und Schulen werden verschiedene Trainings angeboten, in denen es um soziale Kompetenz und Selbstbehauptung geht, um Konzentration und den Umgang mit „expansivem Problemverhalten“. Dabei lernen „coole Kerle“ und „lässige Ladies“ auch Inhalte der Kampfkunst.

Beispiel Sozialtraining in einer dritten Klasse – auf Nachfrage der Grundschule: „Der Lehrer sammelt die Schülernamen und fragt die Eltern, denn es ist ein freiwilliges Angebot“, betont Portmann, die auch Hausbesuche vorsieht. In einer Beratungsrunde werden sodann die Stärken und Ziele besprochen. „Und nach dem Training gibt es eine Rückmeldung an den Lehrer“, schildert Portmann die laut Konzept sechs Monate lange Betreuung, „aber wir sind meist länger als ein Jahr dran“.

Viele Erst- und Zweitklässler mit Regelbrüchen aufgefallen

Zu Corona-Zeiten gehe es derzeit etwas ruhiger zu, „weil die Schulen durch das Homeschooling weniger Einblick haben“. Aufgefallen aber sei im Jugendamt, „dass sich jetzt vermehrt Nachbarn gemeldet haben“, sagt Kerstin Hupka.

Wichtig sei eine frühzeitige Unterstützung, „damit es gar nicht erst zu Gewaltkarrieren bis hin zur Straffälligkeit kommt“, meint Portmann. Gefragt nach einer Erfolgsquote müssen die Fachkräfte mit den Schultern zucken: „Wir haben keine ausgewerteten Fallzahlen“, sagt Hupka. „Aber subjektiv waren es viele Erst- und Zweitklässler, die mit Regelbrüchen und grenzüberschreitendem Verhalten aufgefallen sind“, betont die Kollegin.

Auch nach einer behördeninternen Evaluierung sei deutlich, dass sich das Gewaltverhalten selten nach nur einem Training erledigt habe: „Da muss alle paar Jahre etwas reingegeben werden. Aber bei der Zielgruppe kann man nicht sagen, dass man alle retten kann.“