Bergedorf. International gefeiertes Projekt der Mobility-Hubs soll Verzicht auf privaten Pkw fördern – und viel mehr als nur Parken sein.
Das wichtigste der elf Parkhäuser Oberbillwerders entsteht schon 2026: Direkt an der Einkaufsstraße des Zukunftsstadtteils, vis-à-vis vom Schwimmbad und nur wenige Schritte vom S-Bahnhof Allermöhe gelegen, sollen im sogenannten Mobility-Hub 300 Stellplätze ausreichen. Tendenz fallend. „Wir denken Mobilität neu, rechnen die für Oberbillwerder prognostizierten 5000 Stellplätze weiter runter, weil das Ziel in einer hohen Auslastung liegt, das heißt in einer Mehrfachnutzung. Wenn ich morgens mit dem Auto zur Arbeit fahre, muss mein Stellplatz nicht den ganzen Tag leer stehen. Er kann durch andere Nutzer belegt werden“, sagt Sabine de Buhr, städtebauliche Leiterin der IBA Hamburg, die mit ihrem Team den Zukunftsstadtteil für gut 15.000 Einwohner und knapp 5000 Arbeitsplätze bietend im Auftrag des Senats entwickelt.
Platz für ein halbes Autos je Haushalt
Dabei nehmen die Mobility-Hubs eine zentrale Rolle ein. Sie sind die Zentren der erhofften Mobilitätswende, die weg führt vom privaten Pkw und hin zu (Lasten-)Fahrrädern, öffentlichem Personennahverkehr oder wenigstens zu Autos, die sich mehrere Nutzer teilen. Denn die politischen Vorgaben für Oberbillwerder sind ambitioniert: Schon beim Erstbezug soll es nur in jeder zweiten der gut 6500 Wohnungen einen privaten Pkw geben. Zudem wird je Wohnung mit bloß 0,1 Pkw für die Besucher gerechnet, also nur alle zehn Tage mit Gästen, die nicht per S-Bahn, Bus oder Fahrrad kommen.
Für die Bewohner von Oberbillwerder gilt: Außer zum ÖPNV erfolgt der Umstieg zwischen den Verkehrsmitteln stets in den Mobility-Hubs, die natürlich auch Vorrichtungen zum Aufladen sämtlicher Formen der E-Mobilität haben. Denn der Strom für die Akkus in Auto, E-Bike oder E-Roller kommt von den Fotovoltaik-Anlagen auf den begrünten Dächern.
Supermarkt, Café oder Paketstation im Erdgeschoss
Grundsätzlich ist das Erdgeschoss der Parkhäuser der Zukunft für das Parken tabu. Hier sind Nutzungen wie ein Supermarkt oder ein Café samt Bürgerhaus, vielleicht auch eine Fahrradreparatur-Station, ein Paket-Depot der Post oder ein Anbieter für das mobile Arbeiten mit Laptop und bester Internet-Verbindung angedacht. Und sollte künftig tatsächlich noch weniger Raum für das Parken gebraucht werden, wird alles so konstruiert, dass jede Etage umgebaut werden kann, etwa zu Wohnungen oder weiteren Geschäften und Büros.
So werden aus den Parkhäusern Orte der Zentralität. Entsprechend liegen Oberbillwerders Mobility-Hubs zwar im ganzen Stadtteil verstreut, aber jeweils an kleinen oder größeren Quartiersplätzen, die von der direkten Nachbarschaft als Treffpunkt genutzt werden. Ein Ansatz, der international für Aufsehen sorgt und aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert wird. Schließlich ist Oberbillwerder der erste komplett neu gebaute Stadtteil einer europäischen Metropole, der mit Mobility-Hubs geplant wird. Bisher gibt es zwar schon einzelne dieser multifunktionalen Parkhäuser in Wien oder Kopenhagen, aber eben nur als Ergänzung bestehender Quartiere.
Am Straßenrand parkende Autos wird es nicht mehr geben
Kernidee der Mobility-Hubs ist es, den ruhenden Verkehr ganz aus dem Straßenbild zu verbannen. Mit Ausnahme von Stellplätzen für Menschen mit Behinderung und solchen für Handwerker, dürfen Bewohner, Gäste und auch alle in Oberbillwerder Arbeitenden nur in den Mobility-Hubs parken. Private Stellflächen wird es selbst an den rund 300 Einzel- und 700 Reihenhäusern des Zukunftsstadtteils voraussichtlich nicht geben.
Offen ist noch, wie teuer das Parken für den einzelnen Nutzer der Mobility-Hubs wird: „Wir befinden uns erst in der Phase der Überführung des Masterplans von Oberbillwerder in die einzelnen Funktionspläne und Gestaltungsleitfäden“, sagt Sabine de Buhr. „Bei den Mobility-Hubs geht es neben ihrer Architektur gerade um die Betreiber-Konzepte und die Frage, wer Bauherr wird.“ Beide Fragen sind auch Gegenstand eines begleitenden Forschungsprojektes, das bis Anfang 2022 läuft. „Das Beste würde sein, einen Betreiber für alle elf Mobility-Hubs zu finden“, meint de Buhr. „Dann wäre ihre Nutzung im Sinne einer ganzheitlichen Quartierentwicklung am besten zu steuern.“
Ersten Mobility-Hub baut die Stadt Hamburg
Zunächst übernimmt die Stadt Hamburg selbst: Sie wird den ersten Mobility-Hub bauen – und wahrscheinlich auch die beiden nächsten, die im weiteren Umfeld der Einkaufsstraße in Oberbillwerders Bahnhofsquartier entstehen. Die Größe des Premieren-Baus steht bereits fest. Er soll 2500 Quadratmeter Grund- und 15.000 Quadratmeter Brutto-Geschossfläche haben, was sechs Etagen entspricht.
Vorbild für neues Leben in Bergedorfs kleinem Karstadt-Haus?
Eine Dimension, die in etwa der Grundfläche des kleinen Karstadt-Hauses an Bergedorfs Fußgängerzone entspricht – was dort bereits aufmerksam zur Kenntnis genommen wird: Ein Umbau dieser 60er-Jahre-Immobilie zum Mobility-Hub, vielleicht mit einem Supermarkt im Erdgeschoss, gilt vielen als wichtiger Baustein zur Revitalisierung der Bergedorfer City nach dem Aus für Karstadt. Sabine de Buhr verfolgt das mit großem Interesse: „Es freut mich, wenn Oberbillwerder auf die Innenstadt ausstrahlt. Mit ansprechender Architektur, vielleicht einer grünen Fassade und natürlich einer citygerechten Nutzung im Erdgeschoss wäre ein Mobility-Hub an dieser Stelle aus meiner Sicht ein zeitgemäßer Nachfolger des alten Karstadt-Hauses.“