Bergedorf. Die hohen Spritpreise können Existenzen vernichten. Berufsfahrer haben keine Wahl: Sie müssen fahren – und derzeit teuer tanken.
Die Spritpreise sind durch die Decke gegangen. Während Privatleute sich an der Tankstelle regelmäßig über die hohen Summen ärgern, sind Berufs- und Vielfahrer noch viel härterbetroffen. Wir sprachen mit Vertretern verschiedener Berufsgruppen.
Ingo Rabe aus Neuengamme fährt seit 25 Jahren Taxi, hat sich vor acht Jahren selbstständig gemacht und betreibt das Unternehmen „Taxi Rabe“ mit zwei recht neuen Mercedes-Pkw, die Diesel schlucken. Er fährt selbst, im Wechsel mit drei angestellten Fahrern. Zusammen kommen die beiden Fahrzeuge auf mehr als 200.000 Kilometer im Jahr. Sie verbrauchen sieben, acht Liter auf 100 Kilometer. Derzeit zahlt der Unternehmer rund 1,50 Euro für den Liter Dieselkraftstoff. „Vor etwa zwei Jahren war es ein Euro. Das sind 50 Prozent Aufschlag“, sagt der Neuengammer.
Spritpreise: Taxifahrer in Hamburg bleiben auf Kosten sitzen
Seine Branche sei durch die Pandemie bereits gebeutelt, betont der 46-Jährige. „Im Lockdown vor einem Jahr haben Kollegen sogar ihre Konzession ruhen lassen, weil nichts zu tun war.“ Inzwischen würden wieder mehr Taxis benötigt, „weil die Gastronomie geöffnet hat und die Leute wieder zum Flughafen gefahren werden wollen“.
Die gestiegenen Kosten kann Rabe nicht an seine Kunden weitergeben, denn die Fahrpreise unterliegen der Tarifpflicht, die Entgelte werden vom Senat festgelegt. Rabe geht davon aus, dass es bis zu einer Preiserhöhung nicht mehr lange dauern wird, „zumal die letzte bereits einige Jahre zurück liegt“. Rabe bleibt trotzdem gelassen: Er habe in besseren Zeiten Geld für sein Unternehmen zurückgelegt, könne nach wie vor von seinem Job seine Familie ernähren. „Andere Kollegen sind am Limit, weil sie keine Rücklagen haben. Sie arbeiten von der Hand in den Mund. Steigen die Benzinpreise weiter so stark an, kann das ihr berufliches Ende bedeuten.“ Nach Fahrzeugen mit anderem Antrieb schaue Rabe sich (noch) nicht um: „Ich finde Wasserstoff als Antrieb interessant, aber es ist unklar, wo die Reise hingeht.“
Norbert Scheel (58) ist Spediteur aus Kirchwerder. Seine Firma lässt vier Lkw über die Straßen rollen. „Jeder von ihnen verfährt mindestens 150 Liter Diesel pro Werktag“, sagt Scheel. Er hat die Transportpreise aufgrund der Kostenexplosion bei den Kraftstoffen erhöht. „Es geht ja nicht anders. Unsere Kunden geben die Preiserhöhungen ebenfalls weiter“, sagt er. Schlussendlich wird der Endverbraucher für die hohen Spritpreise zur Kasse gebeten. Einen hauseigenen Tank hat der Unternehmer nicht, auch, weil es hohe Sicherheitsauflagen gebe. „Wir betanken die Lkw bis 5 Uhr morgens, dann ist der Diesel meist etwas günstiger.“
Elektromobilität ist für Pflegedienst (noch) keine Alternative
Der Fuhrpark von „Ihr Pflege-Team Einfeldt“ am Kirchwerder Landweg umfasst vier Pkw, hinzu kommen Privatwagen der Mitarbeiter, die ihre Benzin-Kosten in Form von Kilometergeld – 30 Cent pro gefahrenem Kilometer – erstattet bekommen. „Im Durchschnitt sind täglich insgesamt acht Fahrzeuge unterwegs“, sagt Dirk Einfeldt, der in der Verwaltung der Firma seiner Tochter arbeitet. Diese acht Wagen würden für den Pflegedienst jeden Monat bis zu 30.000 Kilometer fahren. „Allein für unsere vier Firmenwagen betragen die Mehrkosten mehr als 200 Euro im Monat“, sagt Einfeldt. Elektroautos seien derzeit noch keine Alternative für die Firma, meint Einfeldt: „Wir nutzen Leasingfahrzeuge und die werden nicht bezuschusst.“ Auch sei ihm ein Umstieg auf Elektromobilität zu unsicher: „Im Landgebiet gibt es viel zu wenig Ladesäulen. Ich wüsste gar nicht, wo sich eine in unserem direkten Umfeld befindet.“
11.700 Euro mehr für die Füllung des 2000-Liter-Tanks
Martin Lüdeke, Hamburger Bauernpräsident und selbst Landwirt mit Sitz in Curslack, hat bereits fleißig gerechnet: Ein Trecker verbrauche durchschnittlich rund 100 Liter Diesel pro Hektar zu bearbeitender Fläche im Jahr. Den notwendigen Diesel für die Bearbeitung seiner etwa 300 Hektar Land – Acker- und Grünflächen – erwarb Lüdeke bereits vor einem Jahr. Regelmäßig werden seine oberirdischen 2000-Liter-Tanks vom Mineralölgroßhändler aufgefüllt. „Damals habe ich 1,12 Euro für den Liter bezahlt“, sagt er. Gerade habe er den Vorrat für das kommende Jahr geordert – „zu 1,51 Euro pro Liter“. Bei 30.000 benötigten Litern beträgt die Preisdifferenz 11.700 Euro. „Deshalb habe ich auch nur für das erste Halbjahr nachbestellt“, sagt der Landwirt. „Das Preisniveau ist hoch und vielleicht fallen die Preis in den kommenden Monaten ja um ein paar Cent.“
Die Landwirte seien froh, dass die Preise, die sie für Getreide, Milch und Rindfleisch derzeit erzielen, recht hoch seien, sagt Martin Lüdeke. Das gleiche die hohen Spritkosten etwas aus. „Aber das Preisgefüge kann sich schnell wieder ändern“, sagt der Bauernpräsident. Zudem würden viele andere Kostenfaktoren die Einkommen der grünen Branche belasten, darunter ebenfalls stark gestiegene Preise für Öl zum Beheizen der Gewächshäuser.