Hamburg. Vor allem Starkregen macht dem Schilfbeet hinter BMW zu schaffen. Anlage gilt als zu klein. Ein technischer Trick soll helfen.

Es ist ein schlechtes Zeugnis, das Gewässerexperten der Schilfkläranlage der Mittleren Bille hinter dem BMW-Autohaus ausstellen: Nur zwölf Prozent der teils giftigen Einträge von Lohbrügges Straßen und sonstiger versiegelter Flächen im Stadtteil werden hier zurückgehalten. Mehr als 22 Tonnen Sand, angereichert durch Öl, Reifenabrieb und sonstige Stoffe aus dem Straßenverkehr, gelangen trotz der 2017 für gut eine Million Euro gebauten Anlage in das Flüsschen. Nur vier Tonnen bleiben im sogenannten Schilfbeet vor dem Überlauf ins Gewässer hängen.

Mittlere Bille ihren hässlichen Beinamen „Hamburgs dreckigster Fluss“ nicht los

„Die Anlage ist deutlich zu klein dimensioniert“, sagte Johannes Rüter von der Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie (ifs) im jüngsten Umweltausschuss der Bezirksversammlung. Bleibe alles wie heute, werde die Mittlere Bille ihren hässlichen Beinamen „Hamburgs dreckigster Fluss“ nicht los.

Während vergleichbare Anlagen Wirkungsgrade von über 50 Prozent aufwiesen, gleiche der Zufluss hier bei jedem stärkeren Regen im Stadtteil buchstäblich einer Springflut: Die Niederschläge werden nämlich von sämtlichen Straßen und Plätzen im Lohbrügger Ortskern bis hinauf zur Leuschnerstraße und hinüber zur Hochschule HAW hierher in die Mittlere Bille geleitet. Zusammen macht das Einzugsgebiet fast 44 Hektar an versiegelten Flächen aus. Das entspricht exakt dem Areal von Vatikanstadt, dem Staat des Papstes in Rom.

Viele Tonnen des bereits abgelagertem Schlicks gelangten wieder in den Fluss

Rüters Team hat die Einträge und die Klärwirkung der „Schilflamellen-Sedimentationsanlage“ über drei Jahre penibel gemessen. Demnach flutet das mächtige Rohr, aus dem die Mittlere Bille unter der Kreuzung Bergedorfer Straße/Sander Damm „entspringt", das kaum zwei Meter breite und 30 Zentimeter flache Flüsschen pro Jahr mit knapp 250.000 Kubikmetern Wasser, also etwa 1,5 Millionen gut gefüllten Badewannen. Mitgebracht von der Flut werden gut 26 Tonnen Sand und kleine Steine.

Auch wenn die Hydrologen sich nicht um die Giftigkeit dieser Einträge gekümmert haben, so vermittelt doch allein die Menge einen Eindruck davon, wie schädlich die Rolle des Stadtteilabfluss-Kanals für das Gewässer und seine Kläranlage ist. Doch es kommt noch schlimmer: In zwei der jeweils dreimonatigen Messintervalle seit 2017 gelangten viele Tonnen des bereits im Schilf abgelagertem Schlicks wieder in den Fluss. Das war im Frühling 2019 so und natürlich auch im Jahr zuvor, als Lohbrügge am Vatertag 2018 von einem Starkregen getroffen wurde, der innerhalb von eineinhalb Stunden mehr als 135 Millimeter Niederschlag brachte. Allein er riss aus der Kläranlage wohl 20 Tonnen bereits abgelagerten Sand mit ins Flussbett, wobei er auch die Messtechnik der Experten zerstörte.

Umbauten am Ausfluss der Reinigungsanlage empfohlen

„Eigentlich wäre es wichtig, für solche Extreme eine große Umlaufleitung samt Trennbauwerk zu errichten. Doch das ist aufgrund der extremen Enge zwischen dem BMW-Autohaus und der Hauni leider unmöglich“, bedauerte Johannes Rüter im Umweltausschuss. Dennoch müsse das Schilfbeet unbedingt vor solchen Starkregen-Fluten geschützt werden, soll es angemessene Ablagerungsmengen festhalten können.

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Rüter empfahl dem Ausschuss und der Wasserwirtschaft des Bezirksamtes Umbauten am Ausfluss der Reinigungsanlage in den Fluss. Der dort am Ende eines kleinen Umlaufs der Naturkläranlage vorhandene Trockenwetter-Schieber müsse so verändert werden, dass er auf Starkregen reagiere. Bisher wird dieses kleine Wehr geöffnet, damit die Mittlere Bille wegen fehlender Niederschläge nicht trocken fällt und ihr mitgeführter Schlick zu stinken beginnt. Künftig sollte es auch Niederschlagsfluten ungehindert durchlassen, um das Schilfbett so gut es geht vor dem reißenden Strom zu schützen.

Möglicherweise Einbau von Schmutzfängen

Ob das reicht, muss noch erforscht werden. Rüter: „Die Berechnungen laufen und nach dem Umbau wird in jedem Fall weiter gemessen.“ Genügt das nicht, müsste über Maßnahmen an Lohbrügges Straßen nachgedacht werden, vielleicht sogar dem Einbau von Schmutzfängen in jedem einzelnen Siel im ganzen Stadtteil. Ob das noch im Verhältnis zum Ziel einer funktionierenden Naturkläranlage steht, ließ Rüter offen. Denn die Einsätze müssten regelmäßig von der Stadtreinigung geleert werden. Und sowas gebe es bisher noch nirgendwo.