Hamburg. Marc Bota ist Leiter der Intensivstation im Bethesda Krankenhaus. Er sagt, die aktuelle Impfkampagne in Deutschland ist deprimierend.

Marc Bota (43), Chef der Intensivstation am Bethesda Krankenhaus in Bergedorf, schlägt Alarm: „Wäre ich ungeimpft, ich hätte praktisch keine Chance, das spontan nachzuholen“, schreibt er in mehreren Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter – und hat darauf schon Hunderte besorgte Reaktionen bekommen. Sein Fazit: „Wir brauchen sofort eine Corona-Impfkampagne, die diesen Namen auch verdient. In verschiedenen Sprachen, mit Infoständen vor Supermärkten, direkten Anrufen oder Anschreiben, die alle konkrete Orte und Zeiten nennen, wo ohne lange Vorplanung geimpft wird.“

Corona: Chef einer Intensivstation kritisiert Impfkampagne

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Aber sowas gibt es nicht, lautet Marc Botas Beobachtung nach einer Woche, in der er auf seinem täglich Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von seiner Wohnung in Eimsbüttel nach Bergedorf und zurück gezielt auf Impfhinweise geachtet hat: „Nur für Tests wird geworben. Aber die helfen nicht gegen eine Infektion“, sagt der Intensivmediziner. „Auf meiner Station im Bethesda Krankenhaus liegen zwar fast ausschließlich Ungeimpfte. Aber nur jeder Dritte lehnt eine Impfung ab. 70 Prozent sagen, sie hätten es nicht geschafft, einen Termin zu vereinbaren.“ Sie mit spontanen Impfangeboten zu erreichen, sei der Schlüssel, die sich gerade aufbauende vierte Corona-Welle in diesem Winter in den Griff zu bekommen.

Tatsächlich ist die Situation in Bergedorf dramatisch: Neben einzelnen Hausarztpraxen wird allein im Bethesda regelmäßig geimpft, als nächstes am morgigen Mittwoch ab 15.30 Uhr wieder ohne Termin. „Bleiben wir das einzige Impfzentrum im Bezirk, wird es angesichts der statistisch noch rund 30.000 ungeimpften Bergedorfer ab zwölf Jahren mindestens bis April 2022 dauern, bis alle geschützt sind“, rechnet Klinik-Sprecher Matthias Gerwien vor. Und die Nachfrage sei riesig: „Wir impfen jeden Mittwoch ab 15.30 Uhr gut 100 Menschen, die ohne Termin kommen. Aber der Andrang ist jedes Mal deutlich größer. Zuletzt mussten wir 20 Menschen wegschicken.“

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Impfung gegen Corona: Situation im Herzogtum Lauenburg ist entspannter

Anders als im Bezirk Bergedorf ist die Impfsituation im Kreis Herzogtum Lauenburg entspannter.  Im Impfzentrum Geesthacht wurden in der vergangenen Woche von mittwochs bis sonntags täglich gut 50 bis mehr als 70 Menschen geimpft, mit den Vakzinen von Biontech und Johnson und Johnson. Auch Menschen aus benachbarten Bundesländern wie Hamburg können sich hier impfen lassen. „Auch ohne Termin“, sagt der Chef des Geesthachter Zentrums, Karsten Steffen.

Diese Corona-Impfstoffe sind in Deutschland zugelassen

  • Biontech/Pfizer: Der erste weltweit zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus wurde maßgeblich in Deutschland entwickelt. Der mRNA-Impfstoff, der unter dem Namen Comirnaty vertrieben wird, entwickelt den vollen Impfschutz nach zwei Dosen und ist für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat er eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent – das heißt, die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, sinkt bei Geimpften um den genannten Wert. Ebenfalls von Biontech stammt der erste für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren zugelassene Impfstoff in Deutschland.
  • Astrazeneca: Der Vektorimpfstoff des britischen Pharmaunternehmens wird unter dem Namen Vaxzevria vertrieben. Aufgrund von seltenen schweren Nebenwirkungen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), den Impfstoff nur für Patienten zu verwenden, die älter als 60 Jahre sind. Offiziell zugelassen ist der Impfstoff aber für Menschen ab 18 Jahren. Vaxzevria weist laut BMG nach zwei Impfdosen eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen auf.
  • Moderna: Der von dem US-Unternehmen entwickelte mRNA-Impfstoff mit dem Vertriebsnamen Spikevax ist für alle ab 12 Jahren zugelassen, die Stiko empfiehlt aufgrund eines erhöhten Risikos schwerer Nebenwirkungen aber, ihn auf die Altersgruppe der über 30-Jährigen zu beschränken. Der Moderna-Impfstoff hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen, wenn der volle Impfschutz nach zwei Impfdosen erreicht worden ist.
  • Johnson&Johnson: Das US-Unternehmen hat einen Vektorimpfstoff entwickelt, der bereits nach einer Impfdosis Schutz vor dem Coronavirus entwickelt. Er wird unter dem Namen Covid-19 Vaccine Janssen vertrieben. Das Präparat hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 70 Prozent bezogen auf schwere Erkrankungen – zudem ist die Zahl der Impfdurchbrüche im Vergleich zu den anderen Impfstoffen erhöht, daher empfiehlt die Stiko für mit Johnson&Johnson Geimpfte schon nach vier Wochen eine zusätzliche Impfdosis mit Comirnaty oder Spikevax, um den vollständigen Impfschutz zu gewährleisten.
  • Novavax: Das US-Unternehmen hat den Impfstoff Nuvaxovid entwickelt. der mitunter zu den sogenannten Totimpfstoffen gezählt wird. Er enthält das Spike-Protein des Covid-19-Erregers Sars-CoV-2. Dabei handelt es sich aber genau genommen nicht um abgetötete Virusbestandteile, die direkt aus dem Coronavirus gewonnen werden. Das Protein wird stattdessen künstlich hergestellt. Das menschliche Immunsystem bildet nach der Impfung Antikörper gegen das Protein. Der Impfstoff wird vermutlich ab Ende Februar in Deutschland eingesetzt und soll laut BMG in bis zu 90 Prozent der Fälle vor Erkrankung schützen.
  • Weitere Impfstoffe sind in der Entwicklung: Weltweit befinden sich diverse Vakzine in verschiedenen Phasen der Zulassung. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft derzeit das umstrittene russische Präparat Sputnik V sowie die Impfstoffe der Hersteller Sinovac, Sanofi und Valneva. Der deutsche Hersteller CureVac hat seinen Impfstoff vorerst aus dem Zulassungsverfahren zurückgezogen.

Hier könnten an fünf Tagen pro Woche je 350 Impfungen oder sogar mehr bewältigt werden. „Steigt die Zahl derart an, bräuchten wir aber etwas Vorlauf. Derzeit ist bei uns jeweils nur ein Impfarzt im Einsatz. Vorher waren es zwei“, so Steffen. Impfstoff sei ausreichend vorhanden, er könne zudem kurzfristig nachgeordert werden. Die große Welle habe Geesthacht  bislang nicht erreicht. Anders ist es in Reinbek. Dorthin lockt der S-Bahnanschluss viele Hamburger, seit das Impfzentrum in den Messehallen am 31. August  seine Türen schloss.