Hamburg. Wie sich Firmen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, auf mögliche Ausfälle durch Omikron-Infektionen vorbereiten.
Die Zahl der Corona-Fälle steigt seit Tagen steil an – und noch schneller steigt die Zahl der Menschen, die in Quarantäne müssen. Viele Experten sind daher in Sorge um wichtige Infrastrukturbereiche. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits Beschlüsse unter anderem zu möglichen weiteren Kontaktbeschränkungen und zu Quarantänefristen in Aussicht gestellt. Wir haben uns bei wichtigen Versorgern in der Region umgehört.
Omikron: Viele Experten sind in Sorge um wichtige Infrastrukturbereiche
Im E-Werk Sachsenwald, das etwa 90.000 Menschen in Reinbek, Wentorf, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek, Aumühle und Wohltorf mit Strom und Erdgas versorgt, gibt es aktuell keine Corona- oder Quarantänefälle. Am Standort in Reinbek sind etwa 90 Mitarbeiter beschäftigt, knapp 50 von ihnen in der Technik. Laut Justiziar Moritz Manthey sind mehr als 90 Prozent vollständig geimpft. Unabhängig davon würden alle zweimal wöchentlich getestet. Für den technischen Bereich wurden Gruppen mit gestaffelten Arbeitszeiten gebildet, um Kontakte zu reduzieren. Maskenpflicht und AHAL-Regelung seien selbstverständlich. Gearbeitet werde möglichst räumlich getrennt oder im Homeoffice.
Die Firma „Marker Unternehmen Frische“ beliefert aus dem Gewerbegebiet Allermöhe mit etwa 200 Mitarbeitenden Großkunden mit Lebensmitteln, vor allem Obst und Gemüse, zudem Molkerei-, Tiefkühl-, Back und Trockenwaren. In den vergangenen 14 Tagen sei ein deutlicher Trend zu mehr Quarantänefällen zu spüren. Derzeit seien vier Leute gleichzeitig in Quarantäne. „Das ist selten so gehäuft aufgetreten“, berichtet Sprecherin Tina Beckert und spricht von einer Herausforderung. Ausfälle konnten bislang durch Mehrarbeit anderer kompensiert werden. Ungeimpfte Beschäftigte müssen sich täglich testen, die anderen zweimal die Woche.
Beim Atomkraft in Krümmel gibt es eine Mindestpersonalstärke von drei Personen
Im stillgelegten Atomkraftwerk in Krümmel sind laut Betreiber Vattenfall grundsätzlich alle Mitarbeitenden, die von zu Hause aus arbeiten können, im Homeoffice. Sollte es zu erhöhten Krankenzahlen kommen, würden alle nicht sofort erforderlichen Arbeiten verschoben und die Personalstärke in der Anlage weiter reduziert. Laut Sprecherin Barbara Meyer-Bukow gilt eine Mindestpersonalstärke von drei Personen, um zusammen mit dem Werkschutz die gesamte Anlage zu überwachen. Schichtwechsel erfolgten grundsätzlich kontaktlos.
Unter den 490 Aktiven der Marschländer und der Vierländer Freiwilligen Feuerwehren gibt es den Angaben zufolge derzeit keine Erkrankungen oder Quarantänefälle. Für den Dienstbetrieb gilt die 2G-Regel. Im November gab es eine Impfaktion, bei der sich Feuerwehrleute aus dem Bereich impfen oder boostern lassen konnten. „Ein großer Erfolg“, sagt Karsten Sommer, Bereichsführer Vierlande. Veranstaltungen wurden abgesagt, geübt werde in reduziertem Umfang allerdings weiter.
Bethesda Krankenhaus kämpft mit verdoppeltem Krankenstand bei Pflegekräften
Das Agaplesion Bethesda Krankenhaus (950 Mitarbeiter) kämpft mit verdoppeltem Krankenstand bei den Pflegekräften: „Zehn Prozent fallen derzeit aus. Steigt das weiter, müssten wir einzelne Stationen schließen“, sagt Geschäftsführerin Maria Theis. Von Corona seien nur neun betroffenen, darunter vier, die sich in häuslicher Quarantäne befinden, weil sie mit Erkrankten in Kontakt kamen. „Aber wenn uns die befürchtete Omikron-Welle erfasst, wird es eng.“ Sie plädiert dafür, die Quarantäne von zwei auf eine Woche zu halbieren, sofern dann negative Antigen-Tests vorliegen.
Auch Marcel Besang, Chef von Edeka im Lohbrügger Marktkauf-Center, hält eine Lockerung der Quarantäne-Regeln für gut – sofern das der Experten-Rat der Bundesregierung empfiehlt: „Für uns ist es wichtig, dass unser Kassierer-Team immer so groß ist, dass sich keine langen Schlangen bilden. Denn dort sehe ich die größte Gefahr für unsere Kunden, sich zu infizieren.“ Bisher sei die Corona-Welle an seinem Supermarkt vorbeigegangen. Von den 85 Mitarbeitern waren gestern nur zwei krank – nicht wegen Corona. Die Impfquote des Teams liegt laut Besang bei über 90 Prozent.
VHH hat derzeit keinen erhöhten Krankenstand
Bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) ist der Krankenstand derzeit „nicht höher als vor Corona zu dieser Jahreszeit“, sagt Sprecher Stefan Genz. Von den etwa 2240 Mitarbeitenden arbeiten rund 1800 im Fahrdienst. 160 Linien zwischen Pinneberg und Lauenburg werden von ihnen mit 700 Bussen bedient. „Alle Fahrzeuge sind inzwischen mit Trennscheiben ausgestattet“, so Genz. Zudem würden an den Haltstellen in der Regel alle Türen geöffnet, um die Busse durchzulüften. Für die Fahrer wurden die Zeiten vor Ort, etwa in Aufenthaltsräumen, reduziert. Auf den Betriebshöfen stehen Busse für Corona-Tests bereit. Sollte es zu einem stark erhöhten Krankenstand kommen, könnten viele Mitarbeiter der Verwaltung im Fahrdienst einspringen. Nur im Extremfall würde das Angebot reduziert.
Bei der Bergedorfer Polizei gibt es aktuell keinen Corona-Fall, hamburgweit sind laut Sprecher Florian Abbenseth knapp 100 der 11.300 Polizei-Mitarbeiter mit Corona infiziert. Gesetzt werde – wo möglich – auf Homeoffice, ein „niedrigschwelliges Testkonzept“, Kohorten- und Teambildungen in den Abteilungen sowie penible Hygieneregeln im Streifendienst (zum Beispiel nur mit Maske im Einsatzfahrzeug).
Technische Einrichtungen der Versorgungsbetriebe Elbe werden im Homeoffice überwacht
Strenge Hygieneregeln gelten auch in den Rettungswagen (RTW) der neuen Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft. Sie hat zum Jahresbeginn mit 250 Mitarbeitenden die Aufgaben des Rettungsdienstes im Kreis übernommen. Aktuell ist ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt, zwei weitere in Quarantäne. Zu Arbeitsbeginn werden alle Mitarbeiter getestet. Geschäftsführer Kai Fabian Steffens geht davon aus, dass seine Mitarbeiter nahezu alle geimpft sind, eine entsprechende Umfrage laufe. Der Dienst sei so organisiert, dass sich die einzelnen RTW-Besatzungen selten begegnen. Sollte es durch das Virus zu großen Personalausfällens kommen, könnten auch ehrenamtlich tätige Rettungssanitäter eingesetzt werden.
Die Versorgungsbetriebe Elbe (70 Mitarbeiter) beliefern in Lauenburg, Boizenburg und Umgebung rund 20.000 Kunden mit Wasser, Strom, Fernwärme und Gas. Alle technischen Einrichtungen werden derzeit von den Mitarbeitern im Homeoffice überwacht. „Trinkwasser in Flaschen muss niemand hamstern. Es wird auch durch die weitere Verbreitung des Coronavirus nicht zu Einschränkungen kommen“, betont Vertriebsleiter Denis Recknagel. Das Wasser für Lauenburg und die Gemeinden des Amtes Lütau wird aus vier Brunnen gefördert. „Das läuft automatisch. Nur im Störungsfall muss jemand vor Ort fahren“, sagt Recknagel. „Wir schicken dafür alle Monteure mit voll ausgerüsteten Einsatzwagen nach Hause in Bereitschaft. Um Übertragungsrisiken zu verringern, haben wir mehrere getrennte Teams gebildet.“
Das Bezirksamt Bergedorf ist noch nicht durch hohe Krankenstände in seiner Arbeit beeinträchtigt. Wird es personell eng, muss nach Pandemieplan agiert werden. Dazu gehört, dass der Katastrophenschutz etwa für eine Sturmflut stets einsatzbereit ist, ebenso das Gesundheitsamt oder das Jugendamt, das bei einer Kindeswohlgefährdung einschreitet.