Bergedorf. Zwei Drittel weniger Besucher als 2019. Kino spart Geld und kämpft um die Existenz. Geschäftsführer streichen sich Gehalt.

Normalerweise ist Sitzplatz 13 in einer der mittleren Reihen von Saal eins rund um den Jahreswechsel immer ausgebucht. Jetzt sitzt John Barsoe alleine dort und plaudert über das Geschäft: Eigentlich sollten in seinem Bergedorfer Kino aktuell die Neuverfilmung des Sci-Fi-Klassikers "Dune" und die Komödie "Der Prinz aus Zamunda 2" laufen. Der Endspurt des Jahres ist traditionell die umsatzstärkste Zeit in den Kinos, in der Vergangenheit starteten hier publikumswirksame Titel wie die "Der Herr der Ringe"-Trilogie oder auch diverse "Star Wars"-Episoden. Doch seit dem 2. November ist das Bergedorfer Kino wie alle anderen Lichtspielhäuser des Landes geschlossen.

Nach einem desaströsen Jahr für die Branche ist der Ausblick ins neue, weiter pandemiegeplagte Jahr nicht rosig. Barsoe ist pessimistisch, was die Wiedereröffnung seines Hauses ab 10. Januar anbelangt: „Ich rechne eher mit März“, sagt der 50-Jährige. Dabei wäre eine frühe Weichenstellung elementar wichtig: Die Kinos benötigen nach den Erfahrungen des Katastrophenjahrs 2020 Vorlauf: „Wir brauchen von der Politik einen festen Termin, damit wir wissen, ob geplante Filmstarts eingehalten und Werbekampagnen gestartet werden können.“ Diese Ankündigung könne schließlich nicht das Problem sein, denn: „Die Tendenz mit dem Impfstart geht ja auch anders als nach dem ersten Lockdown dahin, dass wir das Virus demnächst überwunden haben werden.“

Potenzielle Kassenknüller wurden verschoben

Eines zeigte die Zeit nach dem ersten Lockdown: Mit "alter Ware" konnte kaum jemand ins Kino gelockt werden. Weil potenzielle Kassenknüller wie der James-Bond-Film "No Time To Die", "Black Widow" oder "Fast and Furious 9", allesamt im Frühling 2020 mit Startterminen versehen und nun für diesen Frühling geplant, weit nach hinten verschoben wurden, lief auch im Bergedorfer Kino zunächst nur das, was bereits Mitte März angelaufen war. So waren die ersten Monate nach dem Restart eher ein Trauerspiel.

An lediglich 232 Tagen durften Barsoe und Dieter Lange (70), das Geschäftsführerduo des Hansa Filmstudios, öffnen. Dabei war das Frühjahr 2020 noch besser aufgrund toller Filme angelaufen als das Branchenrekordjahr 2019. Doch durch den ersten Lockdown wurde zwischen 16. März und 28. Mai im Kino an der Alten Holstenstraße nicht ein Film gezeigt. So wie jetzt seit dem 2. November. Insgesamt kamen nur 32.631 Gäste ins Bergedorfer Kino, im Vorjahr waren es in dem Zeitraum mehr als 97.000.  

Manche Vorführungen waren weitgehend ausverkauft

Das unterdurchschnittliche Geschäftsjahr fordert Konsequenzen: So verzichten beispielsweise Lange und Barsoe auf ihre November- und Dezembergehälter, um den Weiterbetrieb des Kinos zu sichern. Zudem seien die Pläne für den großen, vierten Kinosaal „erst einmal auf Eis gelegt“, so Barsoe, ebenso die Renovierung von Saal eins: „In erster Linie geht es darum, diese Corona-Krise zu überleben und jetzt Geld zu sparen.“

Dass Kino weiterhin funktioniert, glaubt der Filmfan trotzdem beim Blick auf die Monate September und Oktober, in denen die zur Verfügung stehenden 150 Plätze in den drei Sälen – normalerweise 431 – gut besucht waren. Das Wochenende vor Lockdown Nummer zwei mit Filmen wie "Jim Knopf und die wilde 13", "Greenland" oder "Der geheime Garten" war sogar weitestgehend ausverkauft.  

Gutscheine wurden gut verkauft

Auch der Blick nach Übersee macht Barsoe froh: Dort legte das Superheldinspektakel "Wonder Woman 1984", wohlgemerkt ohne die weiterhin geschlossenen Kinos in Kalifornien und New York, ein unter Corona-Bedingungen gewaltiges Einspielergebnis am Startwochenende mit 20 Millionen US-Dollar hin. Und auch nicht bange macht den Bergedorfer die Ankündigung großer Verleiher wie Warner Bros oder Disney, fürs Kino gedachte Filme aufgrund der diffusen Corona-Lage stattdessen für Mehrkosten in ihren Streamingdiensten anzubieten. In Deutschland probierte dies das Portal Disney+ mit "Mulan" für 22 Euro extra – und floppte: „Deutsche Filmfans sind zu derartigen Extrakosten nicht bereit“, schlussfolgert John Barsoe.   

Weiteres Indiz für die immer noch vorhandene Lust auf Kino ist der Verkauf der Filmdosen mit Gutscheinen für eine Vorführung, Softdrinks und Popcorn – lange Zeit die einzige Einnahmequelle für die Hansa Filmstudios. Rund 500 Stück für je 20 Euro wurden verkauft. „Das beweist uns, dass unsere Besucher unbedingt wieder zu uns kommen möchten“, sagt John Barsoe und lehnt sich im Sessel zurück. Vielleicht ist sein Filmhaus ja Ende 2021 wieder rappelvoll.