Bergedorf. Fahrkarten-Kontrolleur Claus Eggers geht nach 41 Jahren bei der VHH in Rente. Doch so ganz kann er seinen Arbeitgeber nicht verlassen.
Was sich Claus Eggers an Ausreden von Schwarzfahrern so alles anhören durfte: „Mein Hund hat das Ticket gefressen.“ „Unser Sohn ist damit weggelaufen.“ „Habe ich jetzt etwa zu wenig bezahlt?“ Oder ganz plump: „Ich kaufe keine Fahrkarte mehr.“ Letzteres hat Eggers oft von älteren Menschen gesagt bekommen. Heute schmunzelt er über diese Dreistigkeiten und andere Erlebnisse, die seinen Berufsalltag bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) so bunt machten.
Seit dem 25. Juni 1979 war der heute 63-jährige Bergedorfer dort angestellt, zunächst zwölf Jahre als Busfahrer, danach 29 Jahre als Fahrscheinkontrolleur – doch nun geht Claus Eggers, der Meister aller Fahrkarten, in den Ruhestand.
Von Schenefeld bis Harburg
Von Schenefeld bis Harburg, der Hafen City bis Schnelsen und wieder zurück zu seinem morgendlichen Startpunkt am ZOB Bergedorf. Überall begrüßte Eggers die Fahrgäste standesgemäß mit einem freundlichen „Moin, Moin“, bevor er zu seinem eigentlich Begehren kam: „Dürfte ich einmal die Fahrkarte sehen?“ Der Kontroll-Akt ist für alle, die sich an die Spielregeln halten, seit der Digitalisierung kein großer mehr: Fahrkarte an das Mobile Datenempfangsgerät (MDG) halten – und gut. Eigentlich.
Oder eben auch nicht. Dann bleiben drei Auswege aus der maximal peinlichen Situation für den erwischten Schwarzfahrer: Personalausweis zeigen oder gleich 60 Euro zahlen – oder die Polizei kommt dazu. „Wir wünschen uns eigentlich immer, dass wir ohne Polizei auskommen“, erzählt Claus Eggers. Doch Schwarzfahrer haben selten Dokumente oder Bargeld dabei . . .
Mit Motorrad und Wohnmobil
Der Kontrolleur aus Bergedorf kommt eigentlich aus einem anderen Metier: „Ich mag es, körperlich zu arbeiten“, sagt Eggers, der als junger Mann sechs Jahre auf Baustellen als gelernter Maurer verbrachte. Dann der Wechsel zu den VHH – denn eine weitere Leidenschaft sind Fahrzeuge jedweder Art. Es erstaunt keineswegs, dass der 63-Jährige sich auch gern aufs Motorrad setzt oder mit der Ehefrau (64) im Wohnmobil herumreist. „Busfahren gelernt hab’ ich auf unserem Betriebshof am Curslacker Neuen Deich und hatte null Probleme.“
Von 1979 bis 1991 fuhr Eggers im Liniendienst mit Schichten von acht bis neun Stunden am Tag durch die ganze Stadt – bis der Körper rebellierte: „Seit 1985 wurde ich fünfmal am Rücken operiert.“ Weil der damals 35-Jährige aber unbedingt bei den VHH bleiben wollte, sattelte er um – und wurde Kontrolleur. Sein Markenzeichen: die tätowierten Arme mit Motiven seines FC St. Pauli, den Geburtsdaten des Sohnes, Enkelkindes und mehr.
Schwarzfahrer von 6 bis 90 Jahre
Im neuen Einsatzgebiet musste Claus Eggers nicht die gesamte Verantwortung auf dem lädierten Rücken tragen. Zumeist fahren die Kontrolleur-Teams in Fünfer- oder Sechser-Gruppen herum. Das sei auch notwendig in der Praxis, um an Haltestellen auch wirklich alle Aussteigenden zu kontrollieren. Und außerdem gibt es Sicherheit.
Denn sein Job ist keiner, in dem es immer nur nett zugeht. „Meistens werden die Erwischten laut, das ist dann immer viel Gerede, wo nichts dahinter steckt“, sagt Claus Eggers. Er bevorzugte immer ein gewisses „Fingerspitzengefühl“ bei der Ansprache der Schummler. Schwarzgefahren werde schließlich von 6 bis 90 Jahren, etwa zehn Prozent der täglich kontrollierten Buspassagiere haben vorher kein Ticket gelöst.
22-Jähriger beißt Kollegen in den Finger
„Wenn einer meinte, ausfallend werden zu müssen, dann bin ich auch lauter geworden“, sagt Claus Eggers. Der sich auch an seinen wohl unangenehmsten Fall mit einem 22-Jährigen aus dem Jahr 1996 erinnert. Von wegen witzige Ausrede: „Der ist weggelaufen, hat sogar einen Kollegen noch in den Finger gebissen“, entsinnt sich Eggers. Er war dann derjenige, der den Querulanten draußen schnappte und am Boden fixierte, bis die Polizei eintraf.
Das alles lässt Claus Eggers nun hinter sich. Bis 15. Oktober 2021 – dann wird der ÖPNV-Routinier auf 450-Euro-Basis in den Dienst der VHH zurückkehren und an drei bis vier Tagen im Monat Bus fahren. „Das wird mein Rücken schon aushalten“, sagt er. So lange jedoch entspannt er an der Ostsee, auf einem Campingplatz in Sütel bei Heiligenhafen. Ohne dämliche Ausreden.