Schwarzenbek. Nach 23 Jahren schlägt Sören Wegner zum letzten Mal vor heimischer Kulisse in der 3. Bundesliga auf. Warum der 35-Jährige aufhört.

Wie innig das Verhältnis von Sören Wegner zum Tischtennis-Sport und zum TSV Schwarzenbek ist, zeigt eine Episode aus seiner Studentenzeit. In der Saison 2013/14 war es, da studierte er Wirtschaftswissenschaften in Friedrichshafen am Bodensee und fand sich trotzdem für die Regionalliga-Spiele mit den 1. Herren im hohen Norden ein. Quer durch Deutschland fürs eigene Team, für Wegner eine Selbstverständlichkeit!

Da lässt sich ermessen, was für ein Einschnitt es ist, wenn der mittlerweile 35-Jährige nun am Sonntag zum letzten Mal vor heimischer Kulisse in der Halle Nordost für die jetzt in der 3. Bundesliga spielenden 1. Herren an die Platte tritt (13 Uhr, Cesenaticostraße). „Ich bin aber nicht sentimental“, betont Wegner. Gegner ist der TTS Borsum, jenes Team, gegen das er so oft gespielt hat wie gegen kein anderes.

Tischtennis als Leistungssport wird es auf Spiekeroog nicht geben

Künftig wird Wegner nur noch eine Spielpartnerin haben: seine Freundin Ariane Liedmeier. Denn das Paar wagt den Sprung in ein neues Leben, zieht auf die Nordseeinsel Spiekeroog. Sie wird dort als Psychologin arbeiten, er aus dem Homeoffice heraus für das Lübecker Start-up-Unternehmen perfood, das im Gesundheitsbereich aktiv ist. An Tischtennis als Leistungssport ist auf Spiekeroog nicht zu denken.

Zum Glück aber ist Liedmeier eine versierte Regional­liga-Spielerin, kann an der Platte also durchaus mithalten. „Aber wenn ich mich anstrenge, schlage ich sie natürlich“, sagt Wegner. Muss er also künftig halblang machen, um es sich mit seiner einzigen Spielpartnerin nicht zu verscherzen? „Nein, so ist sie nicht“, schmunzelt er. „Da ist sie zu sehr Leistungssportlerin. Sie würde mich dann fragen, warum sie dauernd gewinnt.“

Mit sechs Monaten erster Kontakt zum Schläger

Der rasante Sport mit der Zelluloidkugel ist ein wichtiger Teil seines Lebens. „Tischtennis ist enorm abwechslungsreich“, schwärmt er. „Es ist ein Sport, der von vielen kleinen Dingen geprägt ist, an denen man arbeiten kann. Jeder Gegner spielt anders. Es gibt keine Scha­blone, etwa wie beim Golf, wo die Bewegung beim Abschlag stets dieselbe ist und nur vielleicht manchmal ein bisschen mehr Wind weht.“

Schon im zarten Alter von sechs Monaten hielt Sören Wegner einen Tischtennisschläger in den Händen. So jedenfalls haben es ihm seine Eltern später erzählt. Mit sieben fing er an, selbst zu spielen. Es wurde eine Leidenschaft fürs Leben. Fünfmal pro Woche trainierte er als Jugendlicher, debütierte schon als Zwölfjähriger bei den 1. Herren des TSV Schwarzenbek, die damals in der Kreisliga herumgurkten. „Das Nachwuchstalent war es dem Verein wert, um ihn herum eine Mannschaft aufzubauen“, blickt der TSV-Abteilungsleiter Achim Spreckelsen zurück.

Mit neun Siegen ist er Rekordhalter der Sachsenwaldmeisterschaften

Das Team stieg bis in die Oberliga auf. Drei Jahren in der Oberliga folgten neun in der Regionalliga und nun schon sechs in der 3. Bundesliga. Neunmal gewann Wegner zwischen 2007 und 2020 die Sachsenwaldmeisterschaften, den großen Traditionswettbewerb des Heimatgebiets. Damit ist er der Rekordhalter der Veranstaltung.

„Mein größter Erfolg aber war, dass ich mich einmal für die deutschen Meisterschaften qualifiziert habe“, blickt Wegner zurück. „Wo die waren, weiß ich nicht mehr, aber ich kann mich noch genau an die Halle erinnern und an welchen Tischen ich gespielt habe.“ Das ist typisch für den 35-Jährigen: Der Sport ist wichtig, Details sind unwichtig. „Ich weiß zum Beispiel auch nie, wie viele Punkte ich gerade in der Rangliste habe. Tischtennis macht mir einfach Spaß.“ Nur fürs Protokoll: Es sind 2115, damit rangiert er national auf dem 220. Platz.

Aus einer spontanen Idee heraus einen Marathon gelaufen

Mit den ganz Großen der Zunft, den Olympia-Helden Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll, die noch einmal gut 500 Zähler mehr haben und die Rangliste anführen, hat er sich ohnehin nie verglichen. „Das sind komplett andere Welten“, stellt er klar. „Das ist ein komplett anderer Sport, den die spielen. Jedes einzelne Detail ist besser: mehr Tempo, mehr Schnitt, mehr Spin.“

Wegner hat sich immer seine eigenen, ganz persönlichen Herausforderungen gesucht. So kam dem passionierten Rennradfahrer und Ausdauersportler beim Joggen mit einem Freund in Berlin-Charlottenburg spontan die Idee, bei einem Marathon mitzulaufen. 2016 folgte die Premiere in Rostock, 2019 der zweite Marathon in Hamburg.

„Er kommt über das Athletische“

Seine enorme Fitness hilft ihm auch an der Tischtennis-Platte. „Sören ist jemand, gegen den man sich jeden Punkt erkämpfen muss“, betont Spreckelsen. „Er kommt über das Athletische. Und er ist ein oberkorrekter Typ, sehr fair. Wenn der Ball gegen die Kante geht, und er sieht das, würde er das immer zugeben.“

Trainingsfleiß und Ehrgeiz haben dem Vorhand-Spezialisten geholfen, in der 3. Bundesliga zu bestehen. „Mit der Saison bin ich zufrieden“, betont er. „In der Hinrunde habe ich einige Spiele knapp verloren, in der Rückrunde war ich recht erfolgreich.“ Das zurückhaltende „recht erfolgreich“ heißt übersetzt: grandios!

Gelegentlich wird er die Zweite des TSV verstärken

Mit 4:1 Siegen 2022 hat Wegner bewiesen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. So bezwang er zum Beispiel dank seiner Nervenstärke vor vier Wochen den Jugendnationalspieler Heye Koepke in fünf Sätzen und sicherte damit das 5:5-Unentschieden gegen den SC Buschhausen.

Nach dem letzten Spieltag am 3. April in Berlin werden sie nun ohne ihn auskommen müssen. Dafür verstärkt er künftig die Zweite des TSV. Gelegentlich. Wenn es von Spiekeroog aus mal passt. Mit weiten Anreisen hat er ja Erfahrung.