Bergedorf. Der rechte Winkel ist sein Feind, Gebäude werden luftig leicht: Ulf Harten zeichnet und nimmt Architektur auf die Schippe.
Wenn auf seinen Zeichnungen Michel, „Elphi“ oder Fernsehturm nicht in die Höhe tanzen, fehlt den Werken ein Markenzeichen. Und rechte Winkel sind für Ulf Harten ohnehin „der Feind“: „Weil ich die endgültige Fixierung nicht mag.“ Das würde so ganz und gar nicht zu seinen „Karikaturen im Comic-Stil“ passen, mit denen er schon jahrzehntelang die Hamburger Architektur auf die Schippe nimmt. Seinen einmaligen Stil wendet Comic-Zeichner Ulf Harten nun auf das 140-Millionen-Euro-Bauprojekt „Bergedorfer Tor“ an, lässt bei zwei Arbeiten ganze Fassaden über Wolken abheben oder wuchtige Gebäudeensembles aus der Vogelperspektive viel naturbelassener daher kommen.
Unbestritten, dass Ulf Harten damit eine gewisse Leichtigkeit in das lange Zeit schwerfällige Bauvorhaben bringt. Den Bauherren Karl-Friedrich Konietzky und Peter Appel, Geschäftsführer-Doppel der Projektgesellschaft „Bergedorfer Tor“, gefällt diese neue Leichtigkeit. Konietzky ist großer Fan der Jahreskalender des 66 Jahre alten Künstlers, die dieser regelmäßig seit 1999 publiziert. Jetzt kann Konietzky jeden Tag, wenn er in seinem Büro an der Straße Am Güterbahnhof eintrifft, die Karikaturen seines Projekts bewundern: „Die Statik gerät völlig aus den Fugen. Sie würden sicher sagen, dass sie so nicht bauen können“, erzeugte der Unternehmer viele grinsende Gesichter bei den Baubeteiligten, als Harten gestern sein „Bergedorfer Tor“ enthüllte.
Ulf Harten hat ein Faible für Hamburgs Architektur
Harten zeichnet unnachahmlich seit 1983, als er damals von NDR-Moderator Lutz Ackermann gefragt wurde, ob er nicht Lust hätte, ein Buch mit Hörersprüchen zu illustrieren – was er tat und was in der Folge ein Riesenhit wurde. In den 1990er-Jahren entdeckte der heute in Wilhelmsburg lebende Karikaturist sein Faible für Hamburgs Architektur, die er seither äußerst unterhaltsam aufbereitet in seinen Jahreskalendern. Im März 2019 erschien zudem sein Buch „Hamburg total“ – spätestens jetzt wollten Konietzky und Appel den Mann für ihr Projekt gewinnen.
Zwei Karikaturen hat Harten bereits angefertigt. Drei Wochen braucht er pro Bild – von ersten Strichen bis zur kompletten Farbgebung. Das „Bergedorfer Tor“ sei ein „anspruchsvolles Motiv“, gesteht Ulf Harten. Von der Anzahl der Fenster oder den unterschiedlichen Gebäudehöhen (fünf bis neun Geschosse) allemal. Aber nicht zuletzt auch dadurch, dass das Quartier mit seinen 11.132 Quadratmetern Grundstück und 38.600 Quadratmetern Bruttogeschossfläche für Gewerbe, Büro und Praxen und weiteren 95 Wohnungen bisher nur virtuell besteht und sich im Bau befindet. „Deshalb sind meine Karikaturen auch eher zurückhaltend, weil keine Leute mit wilden Feixtänzen zu sehen sind“, sagt Harten
Stadtteil Oberbillwerder soll auch gezeichnet werden
Bergedorf an sich ist für Ulf Hartens Zeichenstift bislang noch jungfräuliches Territorium. Was sich nicht nur durch weitere Zeichnungen vom „Bergedorfer Tor“ ändern wird, sondern auch durch Bergedorfs Schloss, Sternwarte und auch mal den Zukunftsstadtteil Oberbillwerder: „Der Stadtteil steht bei mir auf der Agenda“, verspricht Harten. Konietzky und Appel wollen mit dem Comic-Künstler überdies eine Chronik ihrer neben dem Körber-Haus prominentesten Baustelle Bergedorfs veröffentlichen. „Vom Grundstückskauf bis zum bitteren Ende“, wie Konietzky sagt. Mit der einen oder anderen sehenswerten Illustration aus dem Hause Harten.
Stichwort Baufortschritt: Michael Leclipteux von der Implenia Hochbau erwartet den Start des Baus der Obergeschosse für die nächsten Tage. Von jetzt an soll mindestens ein Stockwerk pro Monat über alle Baufelder entstehen. Im Herbst folge dann das Mauern der Klinkerfassade. „Ambitionierte Ziele, sie sind aber zu erreichen, wenn wir erst einmal im Baurhythmus sind“, sagt Leclipteux, der auch den Karikaturen viel abgewinnen kann: „Das erzeugt eine stärkere Dynamik und erhöht die Freundlichkeit der Gebäude.“