Hamburg. Polizei ermittelt wegen Morddrohung auf Pappschildern. Der Verfassungsschutz warnte vor einer Teilnahme an dem Marsch.
Erstmals ohne Masken, dafür aber mit noch schärferen verbalen Angriffen gegen die Corona-Maßnahmen und alle Regierenden in Deutschland marschierten Sonnabend rund 150 Querdenker vom Mohnhof bis Wentorf und zurück. Als Redner trat der Deutsch-Russe Eugen U. auf, der laut Tageszeitung taz dem rechten Rand der Querdenker-Szene zugeordnet wird. Der 43-Jährige – nach eigenen Worten kurz vor der Rückkehr in seine sibirische Heimat – stellte das Impfen als Inszenierung dar, um „alle Menschen zu Versuchskaninchen“ zu machen. In Deutschland herrsche wieder Faschismus: „Wie sollen wir so unsere Kinder schützen?“
Die Organisatorin hatte ihm zu Ehren den Marsch sogar unter das Motto „Tschüs Eugen“ gestellt, rief zu Geldspenden für seinen Umzug auf. Das hatte Folgen: Entlang dem Marschweg fand die Polizei Pappschilder mit Morddrohungen gegen ihn, unterzeichnet mit „Nazis raus“. Die Schilder wurden sichergestellt, nach ersten Ermittlungen aber als nicht glaubwürdig eingestuft. Die Organisatoren des Marsches stellten Strafanzeige wegen Bedrohung.
Querdenker-Demo in Bergedorf: Verfassungsschutz warnte vor dem Marsch
Weitere Vorfälle wurden nicht aktenkundig. Kleine Gegendemonstrationen formierten sich im Bergedorfer Rathauspark unter dem Motto „Nachdenken statt Querdenken“ und spontan in Wentorfs Ortsmitte vor einem SPD-Stand. Titel: „Mit Nazis geht man nicht spazieren.“
Der Verfassungsschutz hatte vor der Teilnahme am Bergedorfer Marsch gewarnt, weil dessen Organisatoren Bezüge zum demokratiefeindlichen Verein UMEHR haben. Der ist als Beobachtungsfall eingestuft, unter anderem weil er sich auf ein angebliches Widerstandsrecht gegen den deutschen Staat berufe, den Reichsbürger nahestehe und nebenbei auch den russischen Autokraten Putin verehre.
Als der Zug der Querdenker nach gut zweieinhalb Stunden, auf rund 80 Teilnehmer geschrumpft, wieder am Mohnhof ankam, wurde Eugen U. mit Spenden und einem Buch voller Widmungen der Impfgegner verabschiedet – für einen guten Start in seiner sibirischen Heimat.
Bergedorfer Straße: Blockaden von Extinction Rebellion
Im Vergleich zu den Querdenkern ging es bei der parallelen Straßenblockade von Extinction Rebellion deutlich ruhiger zu. Siebenmal blockierten die Klima-Aktivisten die Bergedorfer Straße für je fünf Minuten. Während des Stillstands suchten sie das Gespräch mit den Autofahrern. Ziel ihrer Aktion – an jedem ersten Sonnabend im Monat – ist es, jeden Einzelnen aufzufordern, mehr gegen den Klimawandel zu tun – und auf den eigenen Pkw zu verzichten. Zwischenfälle gab es dieses Mal nicht. Wenn auch manches Hupkonzert und Zwischenrufe einzelner erboster Autofahrer zu hören waren.
Bergedorfs Einzelhandel hatte beide Demonstrationen mit großer Sorge gesehen. „Aber wir lassen uns davon die gute Laune beim Frühlings- und Ostermarkt nicht verderben“, gab sich Marc Wilken, Geschäftsführer des Bergedorfer Wirtschaftsverbands WSB im Vorfeld optimistisch. Tatsächlich kamen trotzdem Tausende in die Einkaufsstraßen.