Hamburg. Die vergangenen Jahre waren schwierig für Zirkusleute. Wie es Familie Probst durch die Pandemie geschafft hat und jetzt Personal sucht.
Auf Kommando von Zeltmeister Andreas Probst packen alle mit an: Hoch die Stangen, absichern, festmachen. Seit Dienstag spannt sich das 15 Meter hohe Zirkuszelt auf dem Frascatiplatz, wo von Donnerstag bis Sonntag der Circus Probst gastiert – mit 65 Tieren und 40 Angestellten. Und sie alle freuen sich gigantisch darauf, endlich wieder in der Manege ihr Publikum zu begeistern: „Volle Pulle, mit allem Tamtam“, verspricht Brigitte Probst.
Chefin Brigitte Probst kam durch Heirat zum Circus Probst
Die 62-Jährige lacht so herzlich – wahrscheinlich seit dem Tag im Jahr 1981, als sie in Neustadt an der Weinstraße Reinhard Probst kennenlernte und ihren Vater enttäuschte, weil sie nicht dessen Tischlerei übernahm. So ging es nach einer kaufmännischen Ausbildung also zum Zirkus.
Und wie sie den durch die harten Corona-Jahre bugsierte, ist unglaublich: 2020 hieß es erst, es dürften 1000 statt 1500 Besucher sein, „doch zwei Tage später stand alles still, wir mussten 25 Artisten heimschicken. Nur die Italiener aus Bergamo, wo derzeit alle wie die Fliegen gestorben sind, haben wir hierbehalten“, erinnert Brigitte Probst.
Das nächste Problem war, dass nach 15 Jahren ihr Winterquartier in Essen gekündigt wurde: Wo aber findet man mitten im Sommer ein Winterquartier? Das Glück half nach in Gelsenkirchen: „Da durften wir zwei Jahre im Revierpark Nienhausen bleiben, boten Tierschauen und Ponyreiten. Außerdem machten wir Ferienprogramme und Abi-Zeugnis-Übergaben im offenen Zelt.“
Statt akrobatische Künste Gülle ausgefahren
Mit dem großen Lockdown wurde wieder improvisiert: Vorstellungen in Altersheimen waren möglich, auch ein Kultursommer: „Wir gaben unser Zelt kostenlos für Musikbands, Comedy, Travestie und Puppenspieler. Dafür verdienten wir mit dem Ausschank, verkauften Cocktails, Bier und Bratwürste.“ Unterdessen suchten sich Tierpfleger, Elektriker und Kraftfahrer andere Jobs.
„Sohn und Schwiegersohn haben Gülle gefahren und in einer Schreinerei gearbeitet“, sagt die Zirkuschefin. Aktuell braucht sie wieder Personal: Nicht nur Fahrer für die 45 Transporter, sondern auch einen Grundschullehrer, der Enkelkind Celina (8) unterrichtet: „Vielleicht mag ein Student oder ein pensionierter Lehrer mit uns fahren und an vier Tagen von 8 bis 13 Uhr Mathe, Deutsch und Englisch unterrichten. Im nächsten Jahr kommen zwei weitere schulpflichtige Kinder dazu“, sagt sie – und verspricht ein gutes Gehalt.
Im Sommer ein neues Winterquartier gefunden
Die Geldsorgen seien nicht so groß gewesen. „Wir brauchten ja keinen Sprit, und für das Tierfutter haben wir gearbeitet“, meint Brigitte Probst, die Corona-Hilfen beantragte, um den Strom bezahlen zu können, zugleich einen Kredit aufnahm: „In Goch am Niederrhein konnten wir jetzt ein 40.000 Quadratmeter großes Winterquartier mit Stall, Koppeln und Reithalle für die 23 Pferde kaufen. Der Bürgermeister will sogar mit uns ein Kulturfestival machen.“
Doch auch ein großer Schatten fiel auf die Familie: Im vergangenen Jahr starb Sonja Probst (37) nach einer Operation. Schon vorher hatte sie 23 Operationen hinter sich bringen müssen: Durch einen Materialfehler war sie vom Vertikalseil auf den Manegenboden gestürzt, erlitt ein schweres Schädelhirntrauma. „Jahre später durften wir in Rom auftreten, und Sonja hatte eine Audienz bei Papst Benedikt, was sie sehr berührt hat“, erzählt die Mutter, die ihre älteste Tochter fortan bei Clownerie-Proben sah.
Das Orchester stammt aus der Ukraine
Trauer ja, aber kein Gram, Brigitte Probst ist eine handfeste Frau: „Als nächstes kam der Ukraine-Krieg und wir hatten einen ukrainischen Kapellmeister fest verpflichtet. Es war mit den Visa schwierig, als die deutsche Botschaft schloss.“ Heute besteht das sechsköpfige Zirkusorchester aus Ukrainern: Der Drummer etwa wurde ausgebombt, ein älterer Trompeter konnte sich ebenso in Sicherheit bringen wie der Bassgitarrist mit den drei kleinen Kindern. „Mit den Familien haben wir jetzt 19 Ukrainer hier und für alle neues Bettzeug gekauft“, sagt die 62-Jährige.
Es geht halt immer irgendwie weiter, muss ja. „Surprise“ heißt dann auch das neue Programm vom Circus Probst, der zur Bergedorfer Premiere am Donnerstag (17 Uhr) die Karten auf allen Plätzen für 15 Euro anbietet – nur die Loge kostet 20 Euro. Weitere Vorstellungen sind Freitag und Sonnabend jeweils um 16 und 19.30 Uhr, dazu am Sonntag um 11 und 16 Uhr. Der Eintritt kostet dann je nach Platzkategorie zwischen 16 und 36 Euro. Die Zirkuskasse hat täglich zwischen 10 und 13 Uhr geöffnet, die Ticket-Hotline ist erreichbar unter Telefon 01806/70 07 33.