Hamburg. Die Schule wurde erneut als Umweltschule ausgezeichnet. Die neue Schulleiterin Karin Hofer erzählt von ihrer Zeit in Peru.
Erneut ist die Stadtteilschule Lohbrügge (Binnenfeldredder) zur „Umweltschule in Europa“ ausgezeichnet worden – und das liegt nicht allein an den beiden Bienenvölkern auf dem Schulgrundstück: Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung ist auch fasziniert von der Ausstellung über „New Horizon 4.0“, die den Klassen bewusst macht, wie unser tägliches Verhalten den Klimawandel positiv beeinflussen kann.
„Wir haben wirklich ein besonders engagiertes Kollegium, das viele Projekte anstößt und Lust auf Veränderung hat“, freut sich die neue Schulleiterin Karin Hofer, die auf Norbert Rittmann folgte, der nach einem Sabbatjahr in den Ruhestand wechselt. Für Karin Hofer ist die Stadtteilschule mit ihren 1150 Kindern eine Herausforderung – nicht nur, weil die Schüler aktuell jahrgangsweise von der Twiete in das neue Gebäude umziehen: „Wir bekommen auch noch eine Dreifeldhalle an der Leuschnerstraße, wo die Container abgebaut werden. Und wenn die alten Wabenhäuser abgerissen sind, können wir einen schönen Schulhof anlegen“, sagt die 55-Jährige, die für die Einweihung ein Sommerfest im Mai plant.
Neue Stadtteilschule Lohbrügge soll im Mai 2022 eingeweiht werden
Dann scheint hoffentlich die Sonne, denn die vermisst Karin Hofer besonders. In den vergangenen fünf Jahren leitete sie nämlich eine deutsche Auslandsschule im peruanischen Arequipa. Die Stadt mit einer Million Einwohnern beeindruckt durch ihre drei Vulkane – „die konnte ich von meinem Balkon aus sehen“, schwärmt die Schulleiterin.
Privatschule mit Stipendien für sozial Schwache
Sie kümmerte sich mit 200 Kollegen um 1200 Kinder aus der peruanischen Mittel- und Oberschicht, deren Eltern 300 Euro pro Monat Schulgeld aufbringen. „Aber es gibt an der Privatschule auch Stipendien für sozial Schwache“, betont Hofer und erzählt vom sozialen Engagement: Alle drei Jahre wird ein armes Dorf ausgesucht, das von etwa 40 Schülern betreut wird: „Zuletzt haben sie einen Ofen zum Brotbacken gebaut und gezeigt, wie man aus Milch Yoghurt macht und ihn vermarktet. Außerdem gründeten wir eine kleine Firma und kauften Maschinen, mit denen sich Schuhe herstellen lassen.“ Nicht zuletzt helfen die Schüler auf dem Feld, geben Unterricht, streichen Schulwände und pflanzen Bäume.
Wenn sie Biologie und Geschichte auf Deutsch gelernt und zum Abschluss ihrer Schullaufbahn den internationalen Bachelor erhalten haben, kommt knapp ein Viertel zum Studium nach Deutschland, weiß Karin Hofer: „Und viele gehen dann später in ihre Heimat zurück, um dort etwas Gutes zu tun.“
Sohn war in Brasilien und Kolumbien, Tochter in Ecuador
Über Grenzen hinweg zu gehen und zu denken, war auch stets ihr eigener Traum – seitdem sie in Ost-Berlin aufgewachsen ist. Mit 18 ging sie nach Moskau, um dort „Russische Sprache und Literatur“ zu studieren. „Ich blieb von 1985 bis 1990, genau in der Amtszeit von Gorbatschow, der das System umbauen wollte.“ Auf einmal habe sie sogar Bücher analysieren dürfen, die in der DDR noch verboten waren. „Es waren wertvolle Jahre, in denen ich gelernt habe, meine Meinung frei zu sagen.“
Anschließend lebte sie mehr als 30 Jahre im hessischen Melsungen, war in der Schulleitung einer Gesamtschule und wurde von den eigenen Kindern „angesteckt“, die sich für Südamerika interessierten: Der Sohn war ein Jahr in Brasilien und Kolumbien, die Tochter in Ecuador. „Aber ich konnte noch kein Spanisch, als ich mich in Peru beworben habe. Dann habe ich täglich 15 Minuten Vokabeln gelernt, so diszipliniert wie Zähneputzen“, sagt sie lachend. Mit der Pandemie aber kam auch die Sehnsucht: „Plötzlich war das mit der Fliegerei so schwierig, konnte mich mein Mann nicht mehr so oft besuchen kommen. Also bewarb ich mich auf die Ausschreibung in Lohbrügge“, erzählt die Schulleiterin, die nun täglich mit dem Fahrrad vom Rappoltweg kommt.
An der Stadtteilschule Lohbrügge wird Russisch, Spanisch und Polnisch gelehrt
Zunächst einmal beeindruckte die Stadtteilschule durch ihre personelle Ausstattung: 15 Sozialpädagogen, dazu eine Schulpsychologin und eine Handvoll Sonderpädagogen – das war sie weder aus Peru noch aus Hessen gewohnt. „Außerdem wird hier Russisch, Spanisch und Polnisch gelehrt. Die interkulturellen Schwerpunkte und die Musikprojekte passen einfach gut zu mir“, meint Karin Hofer, die begeistert davon ist, dass Fünft- und Sechstklässler das Fach „Soziales Lernen“ belegen.
„Die Schule hat ja den Kess-Faktor 2, hier sind also Kinder aus Familien mit vielen Problemen“, ahnt sie – und freut sich über die „hervorragende Berufsorientierung“: „Es ist wichtig, dass wir die Jungs und Mädels gut ins Leben bringen.“ Bloß Sonnenstrahlen kann sie ihnen nicht schenken: „In Peru scheint an 300 Tagen im Jahr die Sonne, auch in den Herzen der Menschen. Das hat unheimlich gutgetan.“