Hamburg. Am 30. März ist internationaler Tag des Bleistifts. Warum der Schreiber zu einer Art „Geheimwaffe für Dichter und Denker“ wurde.
Wer mit dem Bleistift gut umzugehen vermag, hat glänzende Aussichten bei den Frauen! Dieser Punkt, der in der Folge noch näher ausgeführt werden wird, sollte ja allein schon Grund genug sein, dem unscheinbaren Schreibutensil etwas Aufmerksamkeit zu widmen. In diesen Wochen rückt das Ding, das fast jeder bei sich zu Hause hat, aber kaum jemand wirklich braucht, aber noch aus einem anderen Anlass in den Blickpunkt des Interesses: Am 30. März ist der internationale Tag des Bleistifts.
Warum gerade dann? Weil am 30. März anno 1858 ein in Philadelphia lebender Brite namens Hymen L. Lipman (1817-1893) das erste US-Patent für einen Bleistift mit einem am anderen Ende befestigen Radiergummi anmeldete. Fortan konnte man Dinge mit der einen Seite hinschreiben und mit der anderen wieder ausradieren, ohne den Stift aus der Hand legen zu müssen. Das „Perpetuum mobile der Kulturgeschichte“ („Augsburger Allgemeine“) war geboren.
Der moderne Bleistift enthält gar kein Blei mehr
Unser Bergedorfer Familien-Blog „Volkers Welt“ beschäftigt sich daher heute mit dem Bleistift. Wobei der Name dann doch etwas irreführend ist. Denn Blei enthält der moderne Bleistift schon lange nicht mehr. Bereits seit dem 19. Jahrhundert wird die Mine des Bleistifts aus einem Graphit-Ton-Gemisch gebrannt. Die Pionierarbeit dazu wurde in Großbritannien, Nürnberg und Wien geleistet. Für das Holz drumherum eignet sich Virginischer Wacholder aus Nordamerika besonders gut. Der Bleistift ist also ein echtes Weltprodukt.
Entstanden ist die Idee aber schon viele Tausend Jahre zuvor. Bereits die Alten Ägypter sollen um 5000 vor Christus flüssiges Blei in Bambusrohre, Schilfrohre oder Hüllen aus Papyrus gefüllt haben, um das Blei nach dem Erhärten als Schreibinstrument zu nutzen. Im alten Rom waren Bleigriffel dann schon übliche Schreibinstrumente. Wer es sich leisten konnte, nutzte auch Silbergriffel. Zudem wurden kleine Bleischeiben hergestellt, mit denen sich Linien besonders gut zeichnen ließen.
„Titanic“: Zeichnungen bringen Kino-Romanze in Gang
Aber was ist nun mit den Chancen bei den Frauen? In dem Kinofilm „Titanic“ von 1997 nimmt die Romanze zwischen der High-Society-Lady Rose DeWitt Bukater (Kate Winslet) und dem Vagabunden Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) mit ein paar Zeichnungen ihren Anfang, die mit dem Bleistift und seinem engen Verwandten, dem Kohlestift, angefertigt wurden. An Deck der Titanic bewundert sie seine Arbeiten und fasst später in ihrer Kabine einen verwegenen Entschluss. Sie hält ihm einen großen blauen Diamanten hin, das „Herz des Ozeans“, und sagt: „Ich möchte, dass du mich zeichnest, wenn ich das hier trage. – Wenn ich nur das trage.“
Während sie sich also nackt auf das Sofa legt, schnitzt er verlegen mit einem Messer an seinem Zeichenstift herum. Wer das Spitzen eines Bleistifts für einen trivialen Akt hält, irrt sich übrigens gewaltig. Es ist ein kontemplativer Vorgang, mit dem der Künstler sich bereit macht für den kreativen Vorgang des Zeichnens. Der amerikanische Humorist David Rees hat in seinem 2013 erschienenen Buch „Die Kunst, einen Bleistift zu spitzen“ volle 224 Seiten über das Schärfen einer Graphitmine verloren und damit bewiesen, dass man so ziemlich mit jedem Thema auf dem Büchermarkt einen Erfolg erzielen kann. Rees hatte aus Recherchegründen einen Bleistiftspitz-Service ins Leben gerufen, bei dem er abgenutzte Stifte wieder auf Vordermann brachte.
Der sich abnutzende Bleistift ist eine Metapher für das Leben
Es liegt eine höhere Weisheit darin, dass sich ein Bleistift während des kreativen Akts des Schreibens oder Zeichnens immer weiter abnutzt, durch das Anspitzen schließlich kürzer und kürzer wird, bis er am Ende nicht mehr da ist. Das ist wie eine Metapher für den kreativen Menschen, dem auch nur ein bestimmtes Maß an Zeit bleibt, um seine Kreativität auszuleben. Und wie könnte die besser investiert sein, als ein Bild der Frau anzufertigen, die man liebt.
Der Dialog zwischen Rose und Jack, der diesen Vorgang im Film „Titanic“ begleitet, ist weltberühmt. Splitternackt liegt sie also auf dem Sofa, während er sofort damit beginnt, ihre Umrisse zu skizzieren. „Sie werden ja rot, großer Künstler“, stichelt sie. „Ich glaube nicht, dass ein Monsieur Monet rot werden würde.“ „Das liegt daran, dass er Landschaften malt.“
Wenn Kate Winslet nackt vor einem liegt, kann die Hand wohl zittrig werden
In der Tat kann die Hand wohl zittrig werden, wenn Kate Winslet nackt vor einem liegt. Doch die Hand, die hier mit schnellen, sicheren Zügen das Porträt der Film-Rose aufs Papier bannt, gehört gar nicht dem Schauspieler DiCaprio, sondern Regisseur James Cameron. Von ihm stammt das bekannte Bild, um das sich die Handlung des gesamten Films dreht, ebenso wie alle anderen Bleistift- und Kohlebilder, die im Film vorkommen.
So hat James Cameron also auf seiner Kunstfertigkeit mit dem Zeichenstift ein ganzes Kino-Imperium aufgebaut. „Kate Winslet hat mir vor den Dreharbeiten für das Bild Modell gesessen“, verrät Cameron in seinen Kommentaren zum Film. „Allerdings trug sie dabei einen Bikini. So gut kannten wir uns ja nicht. Für alles andere musste ich meine Fantasie benutzen.“
Wie Nürnberg zur Metropole der Bleistift-Produktion wurde
Hätte es Rose und Jack wirklich gegeben, die Wahrscheinlichkeit wäre hoch gewesen, dass er für seine Zeichnung auf der Titanic ein Produkt aus Nürnberg verwendet hätte. Denn vier der größten Bleistift-Hersteller – Faber-Castell, Lyra, Staedtler und Schwan-Stabilo – sind allesamt in der fränkischen Metropole ansässig, und die Geschichte aller vier Unternehmen reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück. Schon im Jahr 1900 wurden in Nürnberg rund 200 Millionen Bleistifte pro Jahr produziert. Heute bringt es allein Marktführer Faber-Castell auf über zwei Milliarden Exemplare pro Jahr.
Schon Johann Wolfgang von Goethe schätzte den Bleistift
So wurde der Bleistift zu einer Art „Geheimwaffe für Dichter und Denker“ („Augsburger Allgemeine“). Selbst von Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ist laut „Spiegel“ überliefert, dass er in seinen späten Jahren den neumodischen Bleistift der althergebrachten Schreibfeder vorgezogen haben soll. Goethe mochte es nicht, wenn ihn ein „Scharren und Spritzen“ aus der Schreibfeder aus seinem „nachtwandlerischen Dichten und Denken“ aufschreckte.
Erste Bleistifte mit Graphitmine gab es schon im 16. Jahrhundert in Großbritannien. Maßgeblich für die Entwicklung der Schreibgeräte war aber die Konkurrenz verschiedener Kaufleute in Nürnberg. Hier war Friedrich Staedtler (1636-1686) der Erste, von dem es urkundliche Nachweise gibt. Von 1661 an produzierte und vertrieb er holzgefasste Bleistifte mit Graphitmine. Sein Nachfahre in fünfter Generation, Johann Sebastian Staedtler (1800-1872), war schließlich der Begründer des heute bekannten Unternehmens Staedtler, das Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur Bleistifte, sondern auch Buntstifte im Angebot hatte. Der Einsatz von Bindemitteln und Wachs sorgte dafür, dass die Stifte nun leichter anzuspitzen und zu benutzen waren. Staedler beschäftigt heute rund 2300 Mitarbeiter.
Der älteste Bleistift der Welt stammt aus dem 17. Jahrhundert
Doch die Staedtlers waren nicht allein mit ihrer Passion für Stifte. Schon 1761 hatte der Schreiner Kaspar Faber (1730-1784) in Stein bei Nürnberg begonnen, „Bleyweißstefften“ herzustellen, die Vorgänger der Bleistifte. Auf ihn geht die Gründung von Faber-Castell zurück, heute mit 8000 Mitarbeitern der weltgrößte Hersteller von Blei- und Buntstiften. Im Faberschloss in Stein, 2009 Filmkulisse für „Hanni und Nanni“, ist der älteste Bleistift der Welt ausgestellt. Er stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde in den 1960er-Jahren in einem schwäbischen Bauernhaus entdeckt.
Neben Staedtler und Faber-Castell ist Schwan-Stabilo mit über 5000 Beschäftigten ein weiteres sehr großes Unternehmen in Nürnberg ansässig, das sich neben Bleistiften aber auch auf Kosmetik und Filzstifte spezialisiert hat. Schwan-Stabilo geht zurück auf das 1855 gegründete Bleistift-Unternehmen Großberger und Kurz, das 1865 übernommen wurde. Bereits im Jahr 1806 soll der vierte Nürnberger Hersteller, Lyra, von Johann Froescheis gegründet worden sein. Das mit 100 Mitarbeitern kleinste der vier Unternehmen gehört heute zum italienischen Fila-Konzern.
Die größte Sammlung der Welt hat ein Lehrer aus Iowa: 70.000 Bleistifte
So ließ die Konkurrenz der vier Unternehmen Nürnberg im 19. Jahrhundert zum Herzen der weltweiten Bleistiftproduktion werden. Der größte Fan des ebenso nützlichen wie unscheinbaren Produkts lebt hingegen in Iowa. Der Lehrer Aaron Bartholmey hat über 70.000 Bleistifte gesammelt und ist damit laut Guinness Buch der Rekorde der aktuelle Weltrekordhalter.