Hamburg. Yorick Thiede startet sein erstes Solo-Programm. „Schnacken kann er ja, der Junge“, meint sein Papa.
Mit dem Grinsen hat er es nicht so, der Comedian, der die Welt zum Lachen bringen will. „Ich sehe aus wie jede zweite Phantomzeichnung“, meint Yorick Thiede, Wahl-Bergedorfer seit wenigen Monaten: „Ist doch ganz gemütlich hier zum Leben, ein bisschen Kulturwüste vielleicht.“ Naja, sich für den Comedy-Pokal in der Lola anzumelden, habe er „leider verpeilt“. Aber das kann ja noch kommen. Nach seinem gigantischen Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena, die 14.000 Zuschauer fasst. Und nach seinem Solo-Programm durch 25 deutsche Städte, das am 18. Januar Premiere in Berlin feiert.
Dabei hat er doch total klein angefangen, damals zwischen 75 Kühen und 30 Bullen. Aufgewachsen ist der 25-Jährige auf einem Bauernhof in Ellerau, bei Quickborn, bei Norderstedt, bei Hamburg. . . jedenfalls ein kleines Dorf in Schleswig-Holstein. Seine CDs von Otto Waalkes liebte er ebenso wie dessen Zwergenfilme, die er auswendig lernte. Später kamen Michael Mittermeier und der US-Comedian Dave Chappelle als Vorbilder dazu.
Vom Bauernhof zur Bühne: Bergedorfer Comedian startet erstes Solo-Programm
„Ich zwar immer der Zweitlustigste im Freundeskreis und hab den Rowdys vom Dorf idiotische Geschichten erzählt, dabei jeden Moment seziert“, erzählt er – manchmal idiotisch ehrlich, wie etwa die Story vom Urlaubsflug mit zwei Freunden in die Türkei, als er zwölf Ecstasy-Pillen schmuggelte, im Plastiktütchen zwischen den Pobacken. „Ich bin gern albern, liebe lebendige Charaktere und lange Geschichten.“ Schwierig sei es aber, „auf Kommando lustig zu sein, etwa abends um 20 Uhr in Bad Dürkheim“.
Jedenfalls ist er froh, dass die ältere Schwester den Bauernhof übernehmen will, denn „ich will keinen Job, wo ich morgens durch die Kacke gehen muss“. Also wählte er „was total Geisteskrankes, von dem eigentlich nur wenige Leute leben können“: die Kleinkunst. Nach dem Abi hieß es aber erst einmal Kartons stapeln und Hafencontainer leerräumen – für die Miete. Und nebenbei probte er seine Witze, zunächst vor bis zu 100 Leuten auf kleinen Hamburger Bühnen wie dem Schnack Stand-up und dem Moin Comedy Club. „Nur sieben Minuten können eine soziale Hinrichtung sein, wenn keiner lacht. Da muss man eisern werden, die hassen ja dann nicht mich, sondern die offenbar schlechte Idee“, meint Yorick Thiede, der seine Auftritte gern mit dem Handy aufnimmt, um später die Betonungen zu analysieren.
Seit fünf Jahren ist er in der Kleinkunstszene aktiv – „dabei lebe ich das Schicksal meines Namens, denn Yorick bedeutet Landmann und Bauer. Bei Shakespeare hieß ein Totenschädel so, der eigentlich mal der Hofnarr des dänischen Königshauses war“, recherchierte er – und erzählte das drei Bühnenfreunden. Mit ihnen tat er sich zusammen und musste erstmal über den Namen des Quartetts streiten: Die „4 Feinde“ waren es schließlich, die sich im vergangenen Jahr „den Witz“ erlaubten, bei allen großen Bühnen Deutschlands anzufragen. Schließlich war es die Kölner Lanxess-Arena, die noch einen Abend lang frei war.
Vier Monate lang auf Deutschland-Tournee
„Das war schon abgefahren. Trotzdem wollten wir als unbekannte Vollidioten die satte fünfstellige Summe für die Miete aufbringen und machten reichlich Werbung mit blöden Videos bei Instagram und TikTok“, erinnert er den 9. September 2023, an dem dann immerhin 3500 Menschen kamen. Dazu zwei besondere: Der bekannte Comedian Felix Lobrecht half den vier Jungs beim Soundcheck. Und im Publikum saß ein junger Journalist, der seine Story „Der gespielte Witz“ später im Magazin „Stern“ auf gleich drei Seiten bringen konnte.
Plötzlich war da so ein kleines Gefühl von Berühmtheit, das die Booking-Agentur Kaderschmiede gleich nutzte, um den Jungs eine Deutschland-Tournee zu buchen. Knapp vier Monate lang traten sie in Bremen und Hannover auf, in Bonn, Frankfurt, München, Stuttgart und Nürnberg. Auch Dresden und Leipzig waren dabei. „Je jünger die Leute sind, desto geringer sind die regionalen Unterschiede. Wir spielten meist vor 18- bis 30-Jährigen in kleineren Locations mit bis zu 600 Leuten“, berichtet Yorick von der Tour „Back to the roots“. Denn weder übergeschnappt noch reich waren sie geworden: „Veranstalter und Agentur nehmen schon ihr Geld, bei den Künstlern bleiben vielleicht 60 Prozent hängen.“
Dennoch bleibe der Ehrgeiz, einmal die ganz große Disziplin zu schaffen: ein abendfüllendes Solo-Programm. Und das will er nun schaffen mit der „Tannenecker Ouvertüre“. So heißt ein kleines Waldstück bei Ellerau, und „es soll ein bisschen nach Hochkultur klingen“, meint der 25-Jährige schmunzelnd. Ein bisschen nervös schaut er doch auf den 18. Januar, wenn die Premiere im Berliner Techno-Club Ritter Butzke startet, alle Zuschauer immerhin 27 Euro Eintritt für die 70-minütige Show bezahlen. Vorab ist auch noch ein „Warm-up-Comedian“ engagiert.
Er liebt lange, verworrene Geschichten
Weiter geht es am 19. Januar ins Hamburger Centralkomitee am Steindamm (schon ausverkauft), nach Hameln, Köln, Bonn, Lüneburg bis runter nach Freiburg und Stuttgart. Insgesamt 27 Städte stehen bis Ende April auf seinem Tourplan – „sogar Hameln, wo ich mich über jedes verkaufte Ticket freue und genauso abliefern will“. Lange, verworrene Geschichten werden zu hören sein, meint der Typ mit dem kantigen Gesicht. „Ich lasse mich gern von dem österreichischen Kabarettisten Josef Hader inspirieren, den ich mal backstage im Berliner Admiralitätspalast treffen durfte.“
Aber irgendwie sei es schon krass, dass er so „gar keinen anständigen Beruf“ machen wolle. Das sieht wohl auch sein Vater so: „Er interessiert sich nicht so für Kultur und die Show-Welt.“ Nach der Riesenshow in der Köln-Arena gab es ein eher norddeutsches Feedback vom Papa: „Jou, hat er gut gemacht. Schnacken kann er ja, der Junge.“
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Überhaupt sei seine Verwandtschaft ziemlich unbeeindruckt von seinem Bühnen-Erfolg: „Einen Tag nach der großen Köln-Show wurde in unserem Familien-Chat ganz wichtig gemeldet, dass Marlene ihr Seepferdchen gemacht hat.“ Yorick Thiede grinst, was er ja eigentlich nicht so gut kann. Aber er freut sich schon auf den Herbst, wenn die zweite 4-Feinde-Tour durch 30 Städte startet, bis nach Wien: „Das wird unsere Road-to-Glory-Tour, dann wird es so richtig theatralisch.“