Bergedorf. Sie leben im Untergrund und müssen um ihr Leben fürchten. Warum eine Ausstellung in Bergedorf für afghanische Maler so wichtig ist.
Zum Glück war der in den Boden eingelassene Tandoori-Brotofen groß genug, dass er sich darin verstecken konnte. „Nein, mein Sohn ist nicht hier“, log der Vater, als nachts um 2 Uhr die Taliban an seine Haustür klopften. Und dann stand unvermeidlich fest: Safi Qudratullah musste schnell aus seinem Land fliehen.
Warum aber stand er auf der Liste der Verfolgten? „Ich habe als Sicherheitsmann in einem Gefängnis mit 1250 Insassen in Kandahar gearbeitet, war der Bodyguard der Gefängnisleitung“, berichtet der 30-Jährige, der von den Taliban bedroht wurde: Er sollte geheime Informationen herausfinden, etwa über die Transporte zum Krankenhaus. „Ich weigerte mich, hatte aber zugleich Angst um meine Familie“, sagt Safi Qudratullah – und schaut traurig zu Boden. Denn sein jüngerer Bruder wurde inzwischen erschossen, sein Vater bekam einen Gewehrkolben gegen den Kopf.
Vor sieben Jahren schon flüchtete er über den Iran nach Deutschland – und bekam in diesem Jahr endlich eine Arbeitsgenehmigung: „Im Januar beginnt meine Ausbildung zum Fliesen- und Parkettleger.“ Auch danach noch will er sich für seine Landsleute einsetzen – und zwar für die Kreativen, mit denen er über Facebook Kontakt hat: Sieben Künstler stellen vom 6. bis 9. Dezember im Kulturzentrum SerrahnEins aus, insgesamt können 75 Werke bestaunt und gekauft werden – meist Abdrucke oder auch einfach bloß Fotos von den Originalen. Geöffnet ist dienstags und mittwochs von 10 bis 14 Uhr, am Donnerstag bis 16 und und am Freitag bis 12 Uhr.
„Viele Künstler verstecken sich halt irgendwo in Afghanistan, kommen ohne Pass nicht raus. So schickten sie uns Fotos von ihren Werken“, erklärt die Bergedorferin Juliane Bandelow. Die Hansa-Absolventin, die heute in Berlin Medizin studiert, engagiert sich seit vier Jahren für die afghanischen Künstler, organisierte jetzt auch die Ausstellung an der Serrahnstraße. „Gerade im November durften wir sogar drei Tage lang in der Elbphilharmonie ausstellen“, sagt sie nicht ohne Stolz. Denn dafür bekommen die Künstler ein Zertifikat, das ihnen einen Kontakt zum Westen bescheinigt. Das Foto von einer Narbe oder von den Taliban zerstörte Bilder reichen nicht als Beweise, dass diese Menschen in Lebensgefahr sind, erklärt die Aktivistin: „Man braucht Dokumente mit vielen Stempeln und muss seine beruflichen Qualifikation vorweisen, bevor man einen Antrag auf Evakuierung stellen kann. Dann erst holt einen die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit an der Grenze zu Pakistan ab – mit Glück.“
„Kunst aus Afghanistan – Kunst im Widerstand“ ist das Thema der Kunstwerke – ein Jahr, nachdem die Taliban nach Abzug der westlichen Truppen die afghanische Regierung gestürzt und die Macht übernommen haben. „Die Menschen dort brauchen aber doch eine Stimme, insbesondere die Frauen, die nur noch mit blickdichter Burka an den Checkpoints sicher sind, nicht mehr arbeiten oder studieren dürfen“, meint die 35-Jährige, die das Land nie besucht hat. „Da ist seit 20 Jahren Krieg, und die Leute versuchen trotz täglicher Lebensgefahr, irgendwie normal zu leben und ihre Würde zu behalten.“
Der Eintritt zur Ausstellung ist übrigens frei, es wird um Spenden gebeten. Sie gehen zu 100 Prozent an die afghanischen Künstler, verspricht als Mitorganisator der Bergedorfer Verein für Völkerverständigung. stri