Bergedorf. Erfolgreiches Integrationsprojekt soll über Bergedorf hinaus wachsen. Warum ehrenamtliches Engagement gebraucht wird.

Für diese fünfköpfige Familie aus der afghanischen Hauptstadt Kabul war der bisherige Deutschland-Aufenthalt in öffentlichen Unterbringungen lange Zeit kein Zuckerschlecken. Kein Rückzugsort, wenig Privatsphäre, kaum Ruhe und Konzentration für Schulaufgaben oder Bewerbungen schreiben. Zuletzt lebten die Geflüchteten in der Unterkunft am Binnenfeldredder 90 a – bis zum Jahr 2021, als ihnen vom Integrationsprojekt Wohnen eine schöne Wohnung in Lohbrügge vermittelt werden konnte. Seither läuft es auch für diese zugewanderte Familie: Der Vater, in seiner Heimat als selbstständiger Steuerberater tätig, hat sich in Hamburg gut vernetzt und integriert. Die Mutter lernt Deutsch, zwei der drei Kinder gehen zur Schule, der mittlerweile erwachsene Sohn hat eine Ausbildung begonnen.

So und noch weitergehend agierte bisher besagtes Projekt des Vereins Bergedorfer für Völkerverständigung. „Integration läuft einfach nicht, wenn man nicht vernünftig wohnt“, weiß Karina Korth, die jenes Projekt seit dem Jahr 2018 leitet. Der Verein wird sich nach 34 Jahren zum Jahresende auflösen. Doch das Wohnungsproblem wird ob der aktuellen Fluchtsituation gewiss nicht geringer. So überlegte Korth neu und gründete am 31. März 2022 die Stiftung to Huus. Und diese wird die erfolgreiche Projektarbeit fortführen – nicht nur in Bergedorf.

Bergedorfer Projekt Stiftung to Huus will hamburgweit tätig werden

Karina Korth möchte ihre Idee in den kommenden Jahren hamburgweit fortentwickeln. Dazu wird sich die Stiftung auch um Bezirksmittel bemühen müssen, um ihre Planungen realisieren zu können: Ab 2023 soll die Stiftung to Huus auch in Wandsbek und in Wilhelmsburg (Bezirk Mitte) wirken, ab 2024 dann in Harburg, später dann auch in Eimsbüttel, Altona und Nord. Neben dem Vorstand um Stiftungsgründerin Korth wird dann ein Gremium eine durch Spenden finanzierte Zentrale gründen: Ab Sommer 2023 möge es je eine Stelle für Projektleitung und -management sowie Büroassistenz geben, dazu eine halben Stelle für die Buchhaltung. „Das machen wir, weil wir auch viele Anfragen von Wohnungssuchenden aus anderen Stadtteilen bekommen haben“, erklärt Karina Korth.

Schon durch das Vorgängerprojekt sind viele Kooperationen mit Wohnungsbaugenossenschaften und Unternehmen entstanden. Der Unterstützerpool der Stiftung umfasst mittlerweile als Botschafter den prominenten Moderator Yared Dibaba, selbst mit Fluchterfahrung, wie auch die Buhck-Stiftung und die Bergedorf Bille Stiftung. Als eigene Zielsetzung verabredeten Korth und Co. einst die Vermittlung von 60 Haushalten in eine feste Wohnung pro Jahr – allein für das laufende Jahr schafften sie bis Anfang Oktober 2022 indes schon 79 Haushalte. Unter Corona-Beschränkungen waren es immerhin 40 Haushalte.

„Die Vermieter schätzen uns sehr, weil wir wohnungssuchende Flüchtlinge sorgfältig auswählen“, sagt Karina Korth, „wir würden uns aber auch mal mehr private Vermieter wünschen.“ Diese Sorgfalt drücke sich unter anderem durch die Verleihung des Hamburger Mieterführerscheins, den Nachfolger des Bergedorfer Mietführerscheins, an Wohnungslose aus. Dort bekommen die Anwärter Basiswissen zum Thema Wohnen und Nachbarschaft vermittelt, lernen Grundsätzliches zur Mülltrennung, zum Heizen und Lüften, zum Mietvertrag, zu Versicherungen und so weiter. Für eine eigene Wohnung kommt ohnehin nur derjenige in Frage, der über entsprechende Aufenthaltstitel, keinerlei Mietschulden und gute Deutschkenntnisse verfügt.

Stiftung kümmert sich um Menschen, die ein Problem haben, ein Zuhause zu finden

Die Stiftung to Huus kümmert sich von jeher nicht nur um Flüchtlinge, sondern auch andere Menschen, die Probleme haben, ein Zuhause zu finden. Dies können zum Beispiel auch aus der Haft entlassene Menschen oder etwa ehemalige Bewohnerinnen eines Frauenhauses sein. Damit die Erweiterung der Stiftung to Huus und der Bestand der guten Arbeit im Bezirk Bergedorf sichergestellt werden, benötigen Karina Korth und ihre Mitstreiter weitere freiwillige Unterstützung. Zum Beispiel bei den Wohnungslotsen, die gut über den deutschen Wohnungsmarkt Bescheid wissen und Experten darin sind, welches Problem von welchem Amt oder Behörde gelöst werden kann.

„Unsere Wohnungslotsen bleiben bei den Familien, die ein Zuhause gefunden haben, beratend ein Jahr dran“, weiß Karina Korth. Gegenwärtig sind es 15 Wohnungslotsen in Bergedorf, diese Anzahl wird für jeden Bezirk benötigt, der hinzu kommt. Dazu kommen derzeit in Bergedorf noch acht Renovierungshelfer, dies sind überwiegend ebenfalls zugewanderte Mitbürger. „Ohne diese Helfer ginge gar nichts“, sagt Karina Korth. Des Weiteren werden auch kräftige Möbelträger gesucht, die anpacken können. Kontaktaufnahme unter der E-Mail-Adresse ehrenamt@stiftungtohuus.de. Zudem möchte Korth eine Online-Möbelbörse aufbauen und etablieren.

Gerade für Flüchtlinge dauert die Zeit in Erstunterkünften mittlerweile deutlich länger als noch vor ein paar Jahren. Das ging kürzlich aus einer Kleinen Anfrage der Linken an den Senat hervor. Waren es zum Jahresende 2017 noch im Schnitt 2,62 Jahre, sind es mittlerweile 4,27 Jahre zum Jahresende 2021 geworden, bevor der Wechsel in eine eigene Wohnung erfolgt.