Hamburg. Bühnen, Buden, Karussells: Rund 150.000 Besucher feiern an drei Tagen in Bergedorf und verwandeln die City in eine bunte Partymeile.
Drei Jahre mussten die Bergedorfer darauf warten. Nun endlich konnten sie wieder ihr großes, quirliges und buntes Stadtfest feiern – mit Musik und Tanz auf vier Bühnen, Kettenkarussell vor St. Petri und Pauli, Zuckerwatte, Bratwurst, Kunsthandwerk und Kletterwand. Und bis zu 150.000 Besucher feierten mit, bummelten vom Bahnhofsvorplatz hoch bis zum Sachsentor oder zum Vinhagenweg, tanzten vor den Bühnen, genossen eine Leckerei oder freuten sich mit ihren ausgelassen umherhüpfenden Kindern.
Es war ein besonderes Fest in mehrfacher Hinsicht. Denn 2021 musste das Fest, das turnusmäßig alle zwei Jahre an der Reihe ist, coronabedingt noch ausfallen. Statt nun erst für 2023 zu planen, entschieden sich die Organisatoren des Schaustellerverbandes WAGS Hamburg Events, für diesen Sommer zu planen. Und ließen sich auch mit Blick auf Krieg, Krisen und drohende rote Zahlen nicht davon abbringen, ein Zeichen der Gemeinsamkeit und der Lebensfreude zu setzen.
Stadtfest Bergedorf: Festumzug am Sonntag
„Man spürt überall den Nachholbedarf: Die Bergedorfer wollen ihre Nachbarn und Freunde treffen, sich einfach mal wieder in die Augen sehen – und das ist es, was hier gerade passiert“, schildert WAGS-Geschäftsführer Wilfried Thal am Sonntag die gute Stimmung auf den Straßen.
Dass in der Leichtigkeit das Schwierige trotzdem nicht vergessen wird, zeigte sich beim Fest der Nationen, zu dem Folkloregruppen aus acht Ländern angereist waren. Beim Festumzug applaudierten die Bergedorfer begeistert den jungen Tänzerinnen aus der Ukraine.
+++ Hier geht es zum gesamten Programm auf den vier Bühnen +++
Bergedorfer Stadtfest: Das war am Sonnabend los
Die Sonne steht tief: Es ist dämmrig. Während das Karussell immer noch Runde um Runde dreht und die ersten Attraktionen schließen, sammeln sich die Menschen an den Buden und vor den Bühnen. Die Band Disco Kings heizt der Menge auf der Schlosswiese ein und es wird wild getanzt.
Am Abend ist es brechend voll. Wer etwas essen möchte, muss lange Schlangen in Kauf nehmen. Frederike (33) und Richard Hansen (32) aus Bergedorf mit ihrem Besuch Trung Nguyen (29) und Simon Hebben (34) aus Horn haben Glück und eine Wurst ergattert. Nachher soll es noch Schoko-Erdbeeren geben und zur Bühne auf der Schlosswiese gehen.
Stadtfest Bergedorf lockt am Sonnabend viele Familien an
Familienausflug zum Stadtfest Bergedorf: Diesen Gedanken hatten viele Menschen am Sonnabend. Auf der Kindermeile tummelten sich trotz trüben Wetters bereits am Mittag viele Kinder mit ihren Eltern. Sehr beliebt: Der Schminkstand und die Hüpfburgen: Zehn Minuten darf jedes Kind springen. Dann wird getauscht.
Gegen 15.30 Uhr kam endlich die Sonne raus und lockte die Menschen auf die Straße. An den verschiedenen Essensbuden werden Churros, Crêpes, Würstchen und Co verspeist. Auch an der Cocktailbar stehen schon einige Besucher an.
In der Bergedorfer Schlossstraße gibt es sogar eine Kletterwand. Vor allem ein paar Mädels scheint das Kletterfieber gepackt zu haben. Flink klettern sie die Wand rauf, bevor sie sich souverän abseilen lassen. Höhenangst scheint niemand zu haben.
Fast 100 Jahre alt – und immer noch zum Tanzen aufgelegt
Auf dem Bergedorfer Markt spielte das Sachsenwald Soundorchester und gab Ray Charles und die Beatles zum Besten. "Von den Beatles habe ich schon mal gehört", sagt der siebenjährige Mattis Peuckert aus Glinde.
Margot-Peggy Köster (99) und Wolfgang Buhk (81) haben sich in Bergedorf kennen und lieben gelernt. Auf dem Bergedorfer Markt begeistern sie die Schaulustigen mit einer spontanen Tanzeinlage
Freitag: Polizei Orchester Hamburg eröffnet das Bergedorfer Stadtfest
Pünktlich um 16 Uhr spielt das Polizei Orchester Hamburg auf der Bühne am Bergedorfer Markt. "Das Stadtfest ist damit eröffnet", sagt Ulf von Krenski, stellvertretender Bezirksamtsleiter in Bergedorf und fügt hinzu: "Dass wir das Bergedorfer Stadtfest wieder feiern können, haben wir dem Engagement der Bergedorferinnen und Bergedorfer zu verdanken."
Doch schon kurz nach dem Startschuss mussten die Besucher Schutz vor dem Starkregen suchen. Angelina und Kalle G. haben sich mit ihren Kindern am Pommesstand untergestellt. "Bis es angefangen hat zu regnen, war die Fußgängerzone richtig voll", sagt der 34-jährige Familienvater.
Trotzdem hat das Paar das Gefühl, dass das Stadtfest nicht mehr so groß ist, wie noch vor ein paar ein Jahren. "Aber besser kleiner als gar nicht." Weil die Kinder das so gerne mögen gibt es gleich noch eine Tüte Schmalzgebäck. "Und wenn die Sonne wieder scheint, können wir noch unsere Chips beim Karussell einlösen", hofft die Escheburgerin.
Cindy und Kelvin Wodricht gönnen sich nach dem Regenschauer eine große Portion Currywurst mit Pommes. Feste Pläne haben sie für heute nicht. "Wir bleiben lange hier, schlendern herum und gucken, was auf uns zukommt", sagt der 32-Jährige. Ob das Stadtfest dieses Mal kleiner ist? Die beiden sind sich nicht sicher. "Aber darauf kommt es auch nicht an", findet Cindy Wodricht. Später kann ihre Tochter vielleicht noch ins Karussell - oder zum Kindeeschminken.
Schausteller lassen sich die gute Laune nicht verderben
"Ich habe den Stand geöffnet und es hat angefangen zu regnen", sagt Jil Bade (24) lachend. Davon lässt sie sich aber nicht die Laune verderben. Zusammen mit ihrem Freund betreibt die Moorfleeterin einen Churro-Stand im Sachsentor. "Die besten Sorten sind ganz klassisch Zimt und Zucker und Nutella." Von morgens bis abends wird sie das Gebäck mit ihrem Team bis Sonntag verkaufen. "Es ist schön, wieder hier zu sein", findet Bade.
Nach frischem Brot duftet es am Pfaffenglück-Stand: Hier verkaufen Henry Matuschak (23) und Jenny Bremer (23) herzhaftes Gebäck aus Kräuterhefeteig. Die beiden kommen aus Büchen – und sind besonders froh, mal wieder andere Standbesitzer zu treffen. "Man kennt sich ja aber viele haben wir durch die Pandemie lange nicht gesehen", so Matuschak aus Büchen.
Auch Schülerin Charlotte Carson freut sich, dass das Stadtfest wieder in Bergedorf ist. Kurz nach der Eröffnung fuhr sie mit ihrer Schwester eine Runde im Kettenkarrussell. "Aber mir wird davon immer schwindelig", sagt die 11-Jährige lächelnd. Besonders gefällt ihr die Party für Kinder. "Man trifft nach Corona endlich wieder Freunde. Das ist toll", findet die Bergedorferin.
Donnerstag: Fest der Nationen wird eröffnet
Bereits vor der offiziellen Eröffnung des Bergedorfer Stadtfestes wurde am Donnerstag das 30. Fest der Nationen auf und an der Bühne vor dem Schloss eröffnet. Von Anfang an sorgte die lettische Gruppe Piladzitis auf der Bühne vor dem Schloss für Stimmung: In karierten Röcken und mit Blumenkränzen auf dem Kopf tanzten die jungen Mädchen mit den Jungen um die Wette. Zu teils immer schneller werdenden Polka-Rhythmen hüpften, klatschten und tänzelten sie – mal alleine, mal als Paar und mal alle zusammen im Kreis. Die Stuhlreihen vor der großen Bühne waren trotzdem nicht ganz voll besetzt und auch bis das Publikum wie aufgefordert mitklatschte, dauerte es eine Weile.
Die brasilianische Tanzgruppe ließ sich davon aber nicht beirren: Zwei Tänzerinnen in eindrucksvollen Karnevals-Gewändern betraten mit schwingenden Hüften die Bühne. Zu brasilianischer Trommelmusik tänzelten die zwei Frauen minutenlang strahlend über die Bühne und forderten alle zum Mitklatschen und Singen auf.
Die ukrainische Gruppe Proliosk hatte ein Geschenk
Auch die bereits am Dienstag in Bergedorf angekommene Gruppe Proliosk aus der Ukraine präsentierte ihre Performance. Mit traditionellen Hüten und weiten roten Hosen zeigten die Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 16 Jahren nicht nur Folkoretanz. Eine Ukrainerin leitete den Auftritt mit einem Solo ein – der Mix aus Hip-Hop und Modern Dance entlockte dem Publikum einige staunende Gesichter und Jubelschreie.
Doch damit nicht genug: Zu zweit sangen eine der Leiterinnen und ein kleiner Junge einen ukrainischen Song, hielten sich dabei an den Händen. Am Ende überreichten sie dem Bergedorfer Organisator der Festivitäten einen Kuchen. Thomas Kock bedankte sich und betonte: "Ich bin froh, dass wir trotz einige Absagen noch so ein tolles Programm aufstellen konnten."
Das Fest der Nationen ist ein Musik- und Tanzfestival für Spielmann- oder Fanfarenzüge, Blasorchester und Folkloregruppen verschiedener Kulturen. Insgesamt werden während des parallel laufenden Stadtfestes 15 Musik- und Tanzgruppen auftreten.