Hamburg. Es sollen Sozialwohnungen für psychisch Kranke entstehen. Architektenpläne lagen bereits vor. Bezirksamt weiß nichts davon.

Mit reichlich Geduld muss ausgestattet sein, wer mit Depressiven oder Schizophrenen zu tun hat oder mit Menschen, die eine Angststörung, eine Sozialphobie haben. So ergeht es den 70 Mitarbeitern, die beim Begleiter arbeiten, dem gemeinnützigen Verein, der seit 1986 psychosoziale Hilfen in Bergedorf anbietet. Und der Bedarf steigt enorm.

Mehr Jugendliche fragen in Lebenskrisen um Hilfe, aber auch mehr Senioren, die unter somatischen Auswirkungen von Long Covid leiden, sagt Geschäftsführer Kai Gliesmann, der eine lange Warteliste führt, um diese Menschen in Sozialwohnungen unterbringen zu können. Derzeit aber muss der 50-Jährige selbst geduldig sein: Längst hätte der Begleiter in die ehemalige Handelsschule an der Wentorfer Straße ziehen wollen. Dann aber kam die dringende Anfrage der Polizei: Die Innenbehörde meldete absolute Priorität an.

Statt Sozialwohnungen ist die Polizei in der ehemaligen Handelsschule untergebracht

18 Monate Bauzeit sind für die neue Bergedorfer Wache eingeplant, die – mit Glück – Anfang 2024 bezogen werden kann. „Das Bezirksamt wird sicher rechtzeitig auf uns zukommen. Das läuft alles ganz offen und ehrlich“, hofft Joachim Friedsch von der Stiftung der gGmbH des Begleiters: Schon 2018 hätten dem Bergedorfer Baudezernenten die Architektenpläne vorgelegen, das denkmalgeschützte Gebäude auf vier Geschossen mit 39 Wohnungen für psychisch Kranke auszustatten – samt riesiger Gemeinschaftsfläche in der Aula. Rathaussprecher Lennart Hellmessen indes weiß nichts von diesen Ambitionen: „Was Anfragen zur Nachfolge-Nutzung betrifft, müssen wir hier Fehlanzeige melden.“

Friedsch jedoch verweist auf den hohen Wohnungsbedarf: „Benachteiligte Menschen sind, mit aller Vorsicht, besonders. Und nicht gerade die erste Wahl von privaten Vermietern, die haben auf dem Wohnungsmarkt eigentlich keine Chance.“ Bezahlbarer Wohnraum werde mehr denn je gebraucht: „Die ehemalige Handelsschule wäre ein ideales, fantastisches Objekt. Die Behörde war schon kurz davor, es uns zu verkaufen.“ Durch die Verzögerung müsse er jetzt wohl mit einer höheren Investition von 4,5 Millionen Euro rechnen.

In Neuallermöhe werden aktuell 30 Sozialwohnungen gebaut

Ähnlich verhält es sich mit dem Bauprojekt des Vereins am Wilhelm-Osterhold-Stieg 9, das 2019 hätte eröffnet werden sollen. Jetzt aber rollen gerade erst die Bagger an. „Die Kosten sind um ein Drittel gestiegen, aber Dank der Stiftung werden wir die neun Wohnungen bauen können“, sagt Psychologe Gliesmann. Seine Klienten werden in Neuallermöhe auf drei Etagen plus Staffel­geschoss mit benachteiligten Jugendlichen eine Nachbarschaft bilden, mit Eltern mit Behinderung (begleitet durch die Alsterdorf-Assistenz-Ost) und Haftentlassenen (betreut durch den Fürsorgeverein).

Insgesamt wollte die Genossenschaft „Schlüsselbund“ auf dem städtischen Erbpachtgelände vier Millionen Euro in 30 kleine Sozialwohnungen investieren. Doch „durch Corona ist alles viel teurer geworden, jetzt sind es 6,5 Millionen, wobei uns Dr. Andreas Dressel sehr geholfen hat“, sagt Ex-Vorstand Petra Eggert, die den Finanzsenator (SPD) zur Grundsteinlegung am 27. September eingeladen hat.

Begleiter hat breites Angebot für Intensiv-Klienten

Mit seinen drei Begegnungszentren am Harders Kamp, am Fleetplatz und am Herzog-Carl-Friedrich-Platz bietet der Begleiter schon ein breites Angebot für Intensiv-Klienten, aber auch Einzelfallhilfen. „Wir wollen uns in Bergedorf dynamisch weiterentwickeln. Das ist unsere Kern-DNA“, meint Kai Gliesmann, der nicht nur an Oberbillwerder und die Neuausrichtung von Bergedorf-West denkt: Wenn der Neubau am Lohbrügger Markt fertig wird, sollen auch hier 20 bis 22 Wohnungen für psychisch Kranke entstehen – vor allem für Jung­erwachsene, denn „die sind in Bergedorf total unterversorgt“, so Friedsch. Er denkt dabei auch an den ambulanten Bereich, den es auszubauen gelte: Man wolle künftig ein anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe werden. Da käme also ein neues Beratungs- und Betreuungszentrum an der Wentorfer Straße gerade recht.